Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
Blut. Er konnte es beinahe schon auf der Zunge schmecken, lachte innerlich, als er sich vorstellte, wie ihr Leben langsam in ihn floss und ihn nährte.
»Sofort«, antwortete sie und drehte sich um.
Er blickte ihr nach. Musterte sie von Kopf bis Fuß. Ihre wippenden Hüften, die schmalen Fesseln. Sie war eine vorzügliche Wahl. Vielleicht sollte er vorher noch das Lager mit ihr teilen.
»Nein«, schalt er sich. Ihr Blut würde genügen.
Als sie zurückkam, lächelte er sie abermals an und nahm dankend den Becher entgegen. »Wie heißt Ihr, mein Kind?«
»Antonia«, antwortete sie. »Meinem Vater gehört diese Taverne.«
Er schnaubte innerlich vor Verachtung. Dass ein Vater seine eigene Tochter derart vorführen und diesen schmutzigen Rüpeln ihre Unschuld auf dem Silbertablett servieren konnte. Doch das sollte nicht seine Sorge sein. »Meint Ihr, Euer Vater hat etwas dagegen, wenn Ihr Euch einen Moment zu mir setzt?«
Sie wandte den Kopf zur Theke, dann wieder zu Ruthven. Sein Blick verdunkelte sich, als sie ihm in die Augen schaute. Ihre Gedanken spiegelten sich deutlich auf ihrem Gesicht wider. Hier saß ein reicher Mann. Was könnte ihr Besseres passieren, als sein Interesse geweckt zu haben? Vielleicht konnte sie so diesem Drecksloch entfliehen. Den gierigen Säufern mit ihren schmutzigen Händen.
Ihre Verzweiflung und Sehnsucht strömten aus jeder Pore. Er würde nicht zögern, all dies gegen sie einzusetzen.
»Warum nicht«, stimmte sie zu.
Ruthven erhob sich und rückte ihr den Stuhl zurecht. »Mein Name ist Ruthven Wallham«, stellte er sich vor, nippte an dem Wein und schaute sie unverhohlen an. Sein Blick wanderte zu ihrem Dekolleté mit den großen Brüsten, die über den Rand der eng geschnürten Bluse quollen. Sie bemerkte seine Musterung und beugte sich kaum merklich vor. Ruthven lächelte innerlich.
»Was macht ein so zartes Ding wie Ihr an solch einem Ort? Sollte Euer Vater Euch nicht besser hüten und beschützen? Oder habt Ihr einen Verehrer, der um Euch wirbt und sich um Eure Sicherheit bemüht?«
»Nein! Da gibt es niemanden. Und meinen Vater kümmert nur, dass seine Gäste zufrieden sind, damit es in seinem Beutel klingelt.«
»Ich bin mir sicher, dass Ihr eines Tages einem Mann begegnen werdet, der Euch ein besseres Leben bietet«, meinte er mit einer Stimme, die sagte, dass er dieser Mann sein könnte. Wie zufällig legte er die Hand auf ihren Unterarm. Sie zuckte nicht zurück, sondern lächelte. Er konnte das Blut fühlen, das durch ihre Adern floss.
»Ich glaube, Ihr müsst wieder an die Arbeit«, meinte Ruthven plötzlich. Er fühlte ihre Enttäuschung. Das war gut, würde ihre Sehnsucht anstacheln. »Doch vielleicht habt Ihr später etwas Zeit, wenn die Taverne schließt.«
»Ja, vielleicht.« Ihre Hoffung stieg.
Er würde leichtes Spiel mit ihr haben.
»Ich habe ein Zimmer im Gasthaus«, log er und strich über ihren Handrücken. »Dort werde ich einige Tage bleiben.«
Antonia erhob sich, legte ihre Hand auf die seine. »Das ist schön.« Sie ging, um sich wieder um die anderen Gäste zu kümmern. Aber ihr Blick sagte mehr als tausend Worte.
* * *
Eine Stunde später leerte sich die Taverne zusehends. Ruthven hatte nicht versucht, Antonia noch einmal anzusprechen.
Er war so sehr in seinen Gedanken versunken, dass er fast nicht bemerkt hätte, wie sie ihm einen sehnsüchtigen Blick zuwarf, als sie einen zerschlissenen Umhang über ihre nackten Schultern legte und die Taverne verließ.
Schnell klaubte er einige Münzen aus seiner Börse und legte sie auf den Tisch. Es war mehr, als der billige Fusel in seinem Becher wert gewesen war. Als Entschädigung für den Wein, den deine Tochter mir geben wird , dachte er kalt mit einem Blick Richtung Wirt. Die Menschen zahlten schließlich auch für ein saftiges Stück Fleisch. Und dieses hier war äußerst zart.
Ruthven nahm seinen Mantel und ging Antonia nach. Der Wirt sah ihm kurz hinterher.
»Wartet, Antonia«, rief Ruthven ihr draußen nach. »Ich begleite Euch. Es ist besser,wenn Ihr nicht alleine durch die Nacht geht.«
Sie drehte sich um, der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Noch immer fielen dichte Flocken. Er nahm seinen Mantel ab, als er sie erreichte, und legte ihn ihr um die Schultern. »Es ist kalt.«
Sie lächelte ihn dankbar an. »Das ist sehr freundlich von Euch«, meinte sie errötend. »Aber werdet Ihr denn jetzt nicht frieren?« Sie schaute ihn an, kleine Sorgenfalten bildeten sich in ihrem sonst
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