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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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all seinen Willen auf, spürte seine Sehnen und Muskeln beben, sein Nacken schmerzte vor Anspannung, doch sein Haupt schien sich nicht bewegen zu wollen. Er keuchte und das Geräusch hieß ihn lebendig und zuversichtlich, sodass er nicht aufgab. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn, rann an den Schläfen herab wie der Regen an der blinden Scheibe. Er schloss die Augen und konzentrierte sich nur auf sich und diese eine Bewegung.
    Übelkeit stieg in ihm auf. Schwindel kreiste in der Dunkelheit seines angereicherten Bewusstseins. Aber er gab nicht auf. Und nach einer schier endlosen Fron und Plackerei spürte er seinen Kopf in Bewegung geraten. Na also, na also , dachte er und weinte eine Träne vor Glück. Schließlich fiel sein Kopf zur Seite. Der Schweiß begann zu erkalten. Es war, als berühre erneut der Frost seine Haut und ließe ihn erschauern. Dabei keuchte er und wusste, nicht ohne eine gewisse Erleichterung zu verspüren, dass der Blick zur Tür frei war.
    Als er aber die Lider mühevoll hob, erschrak er, dass sein Herz auszusetzen sich anschickte. Vor ihm erhob sich dunkel, schmal und mit glarendem Blick die Gestalt von Little Shepherd.
    Aufrecht konnte der Riese in der Kammer nicht stehen. Er stand schief geduckt da, als beuge er sich wie ein unterwürfiger Diener vor seinem Herrn, oder wie ein bekümmerter Pfleger über seinen Patienten, allein er rührte sich nicht. Seine dünnen Beine erschienen in der Anzughose gerade und formlos. Sie überragten Firminus bei weitem und mündeten unter dem Saum eines düsteren Jacketts. Der hagere Kopf mit den eckigen Gesichtszügen schien wie eine bleiche Leuchte unter der Zimmerdecke zu hängen, und von seinem Hals baumelte ein Teil des Stricks, mit dem man ihn hingerichtet, wie eine Zündschnur herab.
    Beim Anblick des Riesen, der eigentlich tot zu sein hatte, spürte der kleine Firminus Becket die letzten Kräfte schwinden, als speise sich die Angst von den Resten, die nach den Anstrengungen verblieben waren. Obgleich er eine grauenhafte Panik verspürte, wollten ihm die Augen zufallen, und er hatte sich redlich zu mühen, wach zu bleiben. Er schaute zu dem Riesen auf und suchte dessen Blick, in dem sich etwas Kindliches, Gebrochenes hinter kaltem Eis zu verbergen suchte. Überhaupt mutete es Firm an, als sei die ganze Gestalt, trotz ihrer glosenden Dunkelheit, von einem eisigen Blitzen eingehüllt. Es umgab ihre Konturen wie ein nebulöser Schimmer, der in steter Bewegung quellenden, fahrenden Wolken ähnelte.
    War er ein Geist? Oder hatte er wahrhaftig seine Hinrichtung überlebt und war nun zu ihm gekommen, um sein letztes Opfer dennoch dem Tod zu übereignen? Welch hässliches Vorhaben die Gestalt vor ihm auch haben mochte, sie behielt es in grauenhafter Manier für sich. Sie stand da und forderte Firm allein durch ihre Anwesenheit alles ab.
    Plötzlich setzte der Geist ein einfältiges Grienen auf, von dem nicht einmal zu sagen gewesen wäre, welche Gesinnung sich dahinter verborgen hielt. Dann wandte er sich ab. Mit kleinen, eigentümlichen Schritten ging diese lange, gebrochene Latte zur Tür. Und für den kurzen Moment dieser Wendung konnte Firm einen weißen Fleck auf dem Rücken des Schemens erkennen. Es war ein Zettel, dem man ihm auf den Rücken geklebt hatte.
    Little Shepherds Geist verließ den Raum, indem er durch die Tür sickerte wie Nässe in einen Schwamm.
    Firm brach in sich zusammen. Die Anspannung wich aus seinem Körper wie der Frost von seiner Haut. Mit letzter Kraft sann er darüber nach, was man auf dem schemenhaften Zettel gekrakelt hatte, der an Little Shepherds Rücken befestigt worden war. Von Kinderhand mit ungeübter, wackeliger Linie: das Gesicht eines Strichmännchens, das die Zunge ausstreckte; darunter die Worte ›dumm wie Bohnenstroh‹.
    * * *
    Gleich einem Schock traf ihn das Erwachen. Firminus verschluckte sich am pappigen Qualster, der ihm wie ein Pfropf im Mund geklebt hatte und sich nun in der Kehle festsetzte. Abrupt blieb ihm die Luft aus. Er hustete und würgte, doch er vermochte den Schleim nicht zu überwinden.
    Firm hatte mit einem Mal nicht mehr die Kraft, gegen die Zähigkeit des Auswurfes anzuschlucken oder ihn herauszuwürgen. Er fühlte rasch einen ungeheuerlichen Druck auf seinen Lungen wachsen. Sein Kopf schien anzuschwellen, als sammle sich alles Blut darin. Ein ersterbendes Röcheln entrang sich seiner. Und es klang, dass ihm Angst und Bange ward.
    Firminus mühte sich erfolglos zu schlucken und kam sich

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