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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Anschein hatte.
    Müde und in sich abgekämpft entsann sich Firm jener Zeit, da er Margarete Graft entkommen war. Er war zwölf gewesen, wusste von seinen leiblichen Eltern nichts, und die Heimmutter gab vor, sie ebenfalls nicht gekannt zu haben. Sie habe einige Shilling bezahlt, und das Geschäft sei damit abgegolten gewesen. Oft hatte Firm gedacht, dass seine Eltern sogar in derselben Straße leben mochten oder irgendwo rund um Seven Dials; er würde es nicht wissen, nicht einmal, wenn er sie je um einige Pennies beim Verkauf von Kohle betrogen hatte. Später war er der knurrenden Maggie wiederbegegnet, was an diesem Ort nicht weiter verwunderlich gewesen war, und sie hatte sich darin versucht, ihn wieder für sich einzuspannen, doch sein Wille und der Wunsch nach Freiheit waren stärker gewesen. Nur ein böser Streich des Schicksals hatte ihn erneut in diese Lage zu bringen vermocht, und wie es ihm nun anmutete, dieses Mal für den Rest seiner Tage.
    Firm drang tiefer und tiefer in die Schlucht seines Bewusstseins, und die Müdigkeit hielt ihn nicht, sondern ließ ihn sanft fallen. Und als der Schlaf siegte, entsann er sich der zwei dunklen Pilaster, die den Weg der Gasse zu einem schmalen Durchlass verengt hatten. Er erkannte das Tor, von dem es hieß, es wandere. Plötzlich ergriff ihn im Schlaf die Erinnerung, an diesem Ort bereits einmal in seinem Leben gewesen zu sein. Er war den letzten Heimgang schon einmal gegangen.
    Sein Herz schlug ihm bis in den Hals hinauf, denn er wusste nun nicht, ob er erwachte oder schlief und träumte. Er vermochte die Lider nicht zu heben, um vielleicht den fahlen Schimmer eines Mondes in seiner Kammer oder einen anderen Hinweis auf die wiederkehrende Besinnung erspähen zu können. Im wurde speiübel, es drehte sich in seinem Kopf wie ein Karussell, und auf einmal spürte er eine Eiseskälte, die über seine klamme Haut kroch.
    Er lag hier und vermochte nicht zu erfassen, was um ihn herum geschah, ob etwas um ihn herum geschah.
    Der Frost, welcher sich auf seine Haut gesenkt, verkündete den Tod, ohne auch nur annähernd Merkmale dessen aufzuweisen. Er konnte ihn spüren, wie er ihn durchdrang, betäubte und versteifte, obgleich er ohnehin über kaum Gefühl und keine Beweglichkeit mehr verfügte. Zum ersten Male hatte Firminus Becket die sichere Erkenntnis, der Tod kehre in ihn ein wie in eine längst vergessene Heimstatt.
    Sein Atem erschien ihm träger und träger, obgleich sein Herz schneller und schneller schlug. Er spürte, wie er langsam das Bewusstsein verlor.
    All die Erinnerungen an das Leben, an die Wunder und an die sonnigen Schirme an bunten Sonntagen im Battersea Park waren ausgelöscht.
    Sie schufen Raum. Heimelige Wallstatt. Dem neuen Eigner Domizil.
    Mit hoffentlich hohen, sauberen Fenstern.
    * * *
    Hitze schlug ihm in den Körper wie schroffes Feuer. Der Schrecken ruppigen Lebens durchfuhr Firminus. Jemand öffnete seine Lider, und die Fenster waren noch immer nahezu blind und trennten ihn von einem formlosen Grau.
    »Werd wach, du Faulpelz«, maulte Margarete Graft und wischte ihm mit einem nassen Lappen den kalten Schweiß vom Gesicht. Innerlich fiel ein schwerer Ballast von seiner Seele – er lebte.
    Er lebte! Welch eine Freude, dass er lebte.
    Womöglich hatte er nur schlecht geträumt, sprach er sich zu und versicherte sich dennoch seines Lebens nicht vollends. Er staunte und fürchtete sich indem.
    »Es wird nicht ewig so mit uns weitergehen, Freund, das muss dir klar sein. Ich habe viele Kinder zu versorgen und kann mich nicht fortwährend um einen kümmern, der sich undankbar zeigt und wegläuft. Denk nicht, ich hätte es vergessen«, grollte Maggie ihm, hastete wild umher und gab vor, eine Ordnung in das karge Zimmer zu bringen, welches über nicht genug Inventar verfügte, als dass es Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
    Doch wie hatte sich die Heimmutter verändert? Firminus erhaschte nur flüchtige Blicke auf die untersetzte Frau, doch sie schien allen Übermut und jedwede Dickfelligkeit eingebüßt zu haben. Das Rosarot ihrer Gesichtsfarbe war einem Puderweiß gewichen – allein, sie trug heute kein Puder im Gesicht. Sie stürmte wirr umher, schimpfte auf seine Faulheit und schien nicht einem Ärger Luft zu machen, der sowohl ihrer Stimme als auch ihrem Gebaren vorgestanden hätte, sondern vielmehr mutete es Firm an, als habe sie jemanden gesucht, dem sie etwas sagen konnte, ohne dass derjenige Widerworte gab oder gar das Krähen anfing.
    Und

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