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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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oder erschien es aus dem gleichen Äther wie der Schemen gemacht? Vergilbt, wellig und faltig. Selbst auf die Distanz war Firm imstande, das Papier als wirklich zu erkennen.
    Das Herz schlug ihm aufgeregt die Stunde. Er gewahrte, dass – wenn nicht alles hier ein Traum war, aus dem es irgendwann ein Erwachen geben mochte – man mit ihm etwas anstrebte. Ihn in den Wahnsinn zu treiben, ergab keinen Sinn. Ihn zu töten, hätte bereits erledigt sein können. Vielmehr ihm etwas mitzuteilen, war eine Ahnung gewesen, die er nun bestätigt fand.
    Doch er würde nicht hinter das Geheimnis kommen, wenn er sich ausruhte und darauf wartete, dass sich ihm etwas frei offenbarte, das ward im bewusst. Dessentwegen mühte er sich unter Aufbietung seiner letzten Kräfte zurück. Mit dem gehorsamen Arm auf dem Bett liegend, konnte er neben der Schlafstatt verharren und Kraft schöpfen.
    Dabei entdeckte er, in welch schlechtem Zustand die Papiere waren. Sie schienen dünn und brüchig wie Ascheflocken, und es mutete Firm an, als zerbrächen sie, sobald er sie berühre. Jenes, welches zuvorderst lag, vermochte er lesen, ohne es antasten zu müssen. Es war der Brief eines Pflegeheimes oder einer Nervenheilanstalt, Genaueres war dem Briefkopf nicht länger zu entnehmen, da die oberste Kante des Schreibens verlodert schien. Absender war ein gewisser Dr. Nathaniel Gardner.
    Verehrter Herr Hector Shepherd.
    Leider muss ich Sie nach eingehender Untersuchung Ihres vorgetragenen Falles unterrichten, dass ich keinerlei Veranlassung sehe, Ihren Sohn in eine öffentliche Anstalt zu geben. Seine physische Konstitution ist zwar in Ermangelung einer zuträglichen Ernährung leidlich, doch weder sein ungeheuerliches Körpermaß noch seine geistige Trägheit geben Anlass zur Sorge, er könne eine Gefahr für sich und andere darstellen. Darüber hinaus empfehle ich Ihnen, seine Gesundheit zu fördern, um ihm zu einer Arbeitskraft zu verhelfen, die bei entsprechender Verfassung seinem Körpermaß in nichts nachstehen dürfte. Arbeit wird seinen Geist fordern und seine Gesundheit begünstigen, und es wird niemandem zum Schaden gereichen.
    Hochachtungsvoll
    Sein Blut pochte unter einem Auge, und die Lider zuckten, als Firm den Blick vom Blatt erhob und zum grauen Fenster schaute. Nun war ihm der Zweck des Ganzen gewiss. Es musste der Geist von Little Shepherd sein, der ihm etwas zu sagen hatte, eines weiteren Zweifels bedurfte es nicht, auch wenn es Firminus nicht verdeutlichen wollte, was es der Sache noch verlohnte. Kein Leben mochte zurückgeholt werden und kein weltliches Gericht einen Vollzug berichtigen, zumal Little Shepherd von seinen Missetaten nicht freizusprechen war, ganz gleich, welche früheren Umstände sie bedungen.
    Firm unterbrach seine Gedanken und zog behutsam das nächste Papier zu sich heran. Es war im Ganzen steifer und fester, als wäre es durch Jahre hindurch, durch das Tragen am Körper, durch Wärme, Schweiß und Fett, durch Schmutz, Tränen und deren Trocknung verdichtet worden. Es wies auch Spuren einer Faltung auf, welche die Schrift angegriffen hatte, sodass nicht alles lesbar war.
    Liebe Anne,
    es geht mir gut, doch die Tage hier sind lang, und die Arbeit ist schon unmenschlich. Ich kam so von Kräften, dass ich mich in der letzten Woche einen ganzen Tag zur Ruhe geben musste, damit ...
    Aber hab keine Bange, ich spiele nicht und trinke nicht. Ich arbeite, damit wir das nötige Geld bald haben werden. Dann wirst Du zum Arzt können und Dich bald besser fühlen. Es wird gut enden, da ... sicher ... von Herzen.
    Für den Jungen allein weiß ich keinen Rat ... noch immer nicht.
    Dass etwas zu tun ist, steht wohl außer Frage, doch was ist mit so einem anzufangen? Seine Größe allein schreckt schon jeden ab, da hilft auch sein leutseligstes Lächeln wenig. Aber ein Weg wird sich finden lassen und ...
    Wenn a... , werde ich zu Hause sein, bevor ...
    Ich denke an Dich und wünsch Dir Besserung.
    Hector
    Welch leise Verachtung aus diesem Brief zu sprechen schien, dachte Firm beschämt. Da ward ein Junge von seinen Eltern beschrieben wie ein Ding, das es zu veräußern galt, weil es das Leben erschwerte. Firm erschauerte. Hatten seine Eltern auch so über ihn gedacht? Hatten sie ihn verachtet?
    Es schmerzte ihn, es nur in Erwägung zu ziehen. Eine sonderbare Starre erfasste ihn dabei.
    Er war nie von normaler Größe gewesen, dennoch hatte es ihm nie an Gesundheit gemangelt. Solange er denken konnte, war er fleißig und munter

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