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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Flüssigkeit befand. Das Gefäß brach mit einem Klirren entzwei, was Firminus eingab, sein Schädel berste in viele Teile.
    Frisches, kühles Nass , dachte er freudig, als er sich in einer Lache wiederfand. Dann schwanden ihm für einen Augenblick die Sinne. Allzu lange währte es nicht, denn Firm hatte den Eindruck, geradezu fühlen zu können, wie die Flüssigkeit unter ihm versickerte. Er rang verbittert um Besinnung und begann, über den Boden zu lecken, um noch etwas von dem frischen Glück erhaschen zu können. Es war Milch, stellte er freudig fest. Milch. Und sie schmeckte selbst vom dreckigen Boden seiner Kammer geleckt besser als alles, was ihm in Erinnerung geblieben war.
    Erst, als er beinahe einen winzigen Splitter der Schale aufgesogen hätte, zügelte er sein unbändiges Verlangen, soviel wie möglich zu sich zu nehmen. Ohnehin war ein Teil der Milch zwischen den Bohlen versickert, klebte in seinen Haaren oder war von seinem Hemd aufgesogen worden. Zwar verspürte Firm nun immer noch Durst, doch es hatte schon ein wenig geholfen, sich an dem Wenigen gütlich zu tun.
    Firminus fragte sich, woher die Milch stammte. Von Maggie Graft sicherlich nicht. Er hatte sie seit Stunden oder sogar Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zudem konnte er sich erinnern, dass sie noch nie Milch im Hause gehabt – nicht einmal für die Jüngsten unter ihren Zöglingen. Er war nicht immer bei Bewusstsein gewesen, dennoch war er sich fast sicher, dass niemand sonst in seiner Kammer gewesen war. Nur der Geist von Little Shepherd.
    Aber war jener wirklich da gewesen? Oder hatte er ihn sich nur eingebildet? War er das Gespenst einer überreizten Phantasie, eines Geistes, der unter Fieber, Müdigkeit und Durst litt?
    Es verlohnte nicht, darüber weiter zu sinnieren, denn Firm wusste instinktiv, dass er noch nicht in Sicherheit war. Er versuchte, sich zu bewegen, und es überraschte ihn, dass zumindest ein Bein und ein Arm Anstalten machten, seinem Willen Folge zu leisten. Unter Aufbietung aller Kräfte schob er sich langsam in Richtung Tür. Er erreichte sie nach einer schier endlos anmutenden Zeit, nur um festzustellen, dass alle seine Versuche, an den Knauf zu gelangen, scheitern mussten. Die Schließe der Tür war zu hoch, und Firm wollte es nicht gelingen, sich in die Höhe zu stemmen. Es mochte eine Handlänge fehlen. Das Scheitern aber bestürzte ihn sehr. Ihm war zugleich nach Weinen und Schreien zumute, doch er ermahnte sich und begann, am Holz der Tür zu klopfen. Erst mit der Faust, dann mit der flachen Hand. Allein eine Reaktion blieb aus. Er horchte an der Tür, doch dahinter war nichts zu vernehmen.
    Entmutigt sackte Firminus Becket schließlich zusammen. Er konnte es nicht verstehen. Zeit seines Lebens war dieses Haus niemals leer gewesen. Es wohnten immer ein bis zwei Dutzend Kinder mit ihrer schweren Amme darin, und ausgerechnet jetzt, da er die Hilfe irgendeiner Menschenseele brauchte, sollte alles jenseits dieser Tür verlassen sein?
    Doch so sehr sich Firm mühte, über Erklärungen nachzudenken, er kam zu keinem anderen Schluss, als das ihm keine Hilfe zuteil werden würde. Daher gab er sich nicht die Zeit, zu bangen und zu hoffen. Er überlegte, ob er zum Bett zurückkehren oder einen Ausweg aus der Lage lieber an der Tür suchen wollte. Firm entschied sich für Letzteres und schickte sich an, am Verschlag des kleinen Raumes in eine sitzende Position zu kommen. Er hoffte dann, mit dem halbwegs tauglichen Arm den Türknauf erreichen zu können.
    Seine Bemühungen schienen erneut endlos zu dauern, und die Anstrengungen machten ihn das Ziel vergessen. Er schwitzte und bebte. Einmal kroch ihm ein kalter Frost über den Rücken, doch Firm ließ sich nicht beirren, ahnte er doch, dass er womöglich keine Kraft für einen zweiten Versuch aufbringen mochte. Mit einer geradezu stoischen Muße quälte er seinen ungehorsamen Körper, bis er vollkommen erschöpft vor der Türe saß, mit geschlossenen Augen und den Händen im Schoß den Triumph hinnehmend wie eine unheilvolle Selbstverständlichkeit.
    Der nächste Schritt , dachte er matt, und so wird es weitergehen. Er öffnete die Augen. Doch was war das? Etwas lag auf seinem Bett, was dort zuvor nicht gelegen. Papiere, wild auf der Zudecke verteilt. Vergilbt, wellig und faltig. Woher kamen sie?
    Bei dieser Frage kroch es Firm kalt den Rücken herunter. Hatte der Geist sie dort hingelegt? Aber vermochte ein Gespenst, Papier zu tragen? War es überhaupt echtes Papier

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