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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Giebel wallte, verblasste. Die Tür des Hauses klaffte direkt zwischen seinen Beinen, und Firm war schon wieder durch dieses Tor des Todes getreten.
    Für einen Augenblick war er erstarrt und horchte, ob er bereits die Lähmung fühlen konnte. War er durch eine giftige Gaswolke getreten, ohne es zu bemerken? Hatte Little Shepherd ihn nun doch erwischt? Im nächsten Moment machte der einen Schritt über Firm hinweg, der nicht einmal in der Lage war, sich zu ducken. Dafür erkannte er aber seine Chance und sprang in den Eingang des Hauses, drehte sich, um die Tür zuzuschlagen, und sah noch knapp vorher, dass Little Shepherd in die Gasse gelaufen war, vom Nebel verschluckt wurde und dabei einen Arm schwang, als deute er Firminus, ihm zu folgen. Dann fiel die Tür ins Schloss, und Firm hatte auch schon den Riegel vorgeschoben.
    Er erwartete nun, dass gegen die Tür geschlagen wurde, oder dass der Geist sonstwie ins Haus kam, aber nach einigen wenigen Atemzügen wurde Firm klar, dass nichts dergleichen geschehen sollte. Hatte Little Shepherd ihm nur etwas zeigen wollen? Trachtete er womöglich danach, Firm in die Nacht hinauszulocken? Oder war es gar eine seltsame Art der Verabschiedung gewesen? Firm hoffte es so inständig, dass er sogleich daran zu glauben begann.
    Der Spuk war vorbei. Es dauerte eine Weile, bis die Ruhe der Nacht ihn vollends davon überzeugen konnte. Danach ging Firm zu Bett, lag aber die ganze Nacht wach und sann darüber nach, was all die grauenvollen Erlebnisse der letzten Wochen ihn gelehrt. Er schaute dabei aus dem Fenster und ahnte, er würde zu keinem anderen Schluss kommen, als dass morgen ein neuer Tag bereit war, von ihm begrüßt zu werden. Und er beschloss, dass seine erste Tätigkeit nach dem Frühstück das Putzen der Fenster sei.
    Die Kinder, die hier bald wohnen sollten, hatten einen klaren Blick auf jeden neuen Tag verdient.
    Als aber die trübe Helle des Tages in den Raum sickerte, er sich ankleidete und seinen ersten Tee trank, klopfte es wieder an seiner Tür. Ein wenig von der alten Angst keimte in ihm, doch es war Tag, und es erinnerte ihn daran, dass der Spuk vorüber war. Trotzdem ging er bedächtig zur Tür und fragte, wer da sei. Eine Männerstimme antwortete, er brächte Kohle.
    Firm schloss erleichtert die Augen, lächelte und öffnete.
    Ihm schlug der widerliche Geruch von Schweiß und Kohle entgegen, und der ging aus von dem fetten Leib eines Mannes namens Ash. Der grinste, machte einen Schritt auf Firminus Becket zu und stieß ihm ein langes Messer mitten ins Herz. Das Letzte, was Firm vernahm, war die Tür, die ins Schloss fiel, und der Riegel, der vorgeschoben wurde. Der Spuk war vorbei.

Dominik Irtenkauf
    Dominik Irtenkauf ist der Autor dieser Anthologie, der mich schon am längsten begleitet – noch aus der Zeit, als ich meine Literaturzeitschrift »HEADLINE« herausgab und Dominik kontaktierte, um ihn und seine Texte vorzustellen. Mir gefiel sein teilweise surrealistischer Stil und die Dichte seiner Texte, ebenso seine Verbundenheit zu Klassikern.
    Ich möchte ihn hier kurz zitieren, denn das trifft ihn meines Erachtens am Besten:
    Meine Texte stoßen oft auf Unverständnis, manchmal aber auch auf Liebe. Statt dem unübersichtlichen Netz setze ich auf Zeitschriften und Projekte mit gewissem Anspruch. Der Anspruch ist eine unlösbare Wesenseigenheit meinerseits. Fremd ist mir ein bloß unterhaltendes Erzählen. Aus diesen Gründen hat meine Geselligkeit ihre wunden Grenzen – genau dann, wenn ich anfange, mit dem Hammer zu philosophieren. Ich gehe lieber unter, als dass Schleimerei den Zauber von Sprache zerstört. Auf Sprache gründet unsere Wirklichkeit und all ihre Verstehensmodelle. Sprache darf man gar nicht hoch genug erachten, um ihrem Charakter und Leben gerecht zu werden.



Unter dunklen Schwingen –
kauert Gottes Kind
    Dominik Irtenkauf
    Sublata causa, tollitur effectus.
    I – Aufgefunden
    Sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Schenkel schlugen gegeneinander. Marie duckte sich unter einem Baum, dessen Blätterdach sie vor dem Unwetter schützte. Sie war geflohen. Ihre Zähne schmerzten. Furchtbarer Schmerz, den sie nicht abstellen konnte. Stück für Stück fielen sie aus.
    Grassow fand sie und wagte kaum, sie anzuschauen, denn sie kauerte halb nackt unter dem Blätterdach. Vor Wut hatte sie ihr Nachthemd zerrissen. In sein Gesicht schoss Schamesröte. Er nahm ein Laken und bedeckte sie damit. Marie fing zu kreischen an, sodass Grassow hastig

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