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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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aufgefunden wurden. Blanckenburg hatte eine Untersuchungskommission in Gang gebracht. Er konnte diese Gefahr in seinem Landstrich nicht dulden. Es wurden Soldaten ausgesandt, doch ein ums weitere Mal kehrten sie unverrichteter Dinge zurück. Die gesuchten Geschöpfe konnten nicht gefunden werden. Blanckenburg vermutete eine Halunkenbande hinter diesen Bluttaten, die den Soldatenkohorten gutes Geld zusteckten. Diesen Verdacht im Stadtrat durchzubringen, gestaltete sich alles andere als einfach. In diesen Zeiten wurden die bewaffneten, vom Staat gedungenen Krieger als letzte Stütze der öffentlichen Ordnung angesehen. Blanckenburg verabscheute in seinem Inneren diese aktenkundlichen Verschiebungen. Es wurde abgestimmt, und alle freuten sich, weil sie mal wieder über eine vermeintlich wichtige Angelegenheit mitreden durften. Blanckenburg wollte am liebsten den Tag über im Bett verbringen, zumindest, bis die Mittagsglocke schlug. Dann würde er sich aus den Daunen schälen, um seiner Pflicht nachzukommen. Insgeheim träumte er vom Ende aller Mühsal, worunter er vorwiegend Arbeit verstand. Wenn er noch einige orgiastische Zusammenkünfte ins Leben rief, dann könnte er sich zurückziehen, in den Altersstand eintreten.
    Die Sache mit den umherstreunenden Wölfen bereitete ihm Kopfzerbrechen. Möglicherweise musste er eine ganze Armee in seinen Landstrich beordern. Das wäre das Ende jedes Schlendrians. Blanckenburg hatte heute Abend ein Treffen, etwas außerhalb der Stadt. Er würde sich zu Fuß dort hinbegeben. In einen weiten dunklen Mantel gehüllt, um zu verhindern, dass er mit seiner geheimen Bekanntschaft gesehen wurde.
    * * *
    Marie hatte an Farbe gewonnen. Grassow ließ sie nach wie vor keine Minute aus den Augen und keinen Fremden an sie heran. Sie saß von Zeit zu Zeit vor dem Haus auf einer Bank. Es kamen immer wieder Wanderarbeiter vorbei, zogen artig den Hut vom Kopf und gingen weiter. Grassow warf Blicke aus dem Küchenfenster, das sich links von Marie befand. Manche Wanderer erschraken ein wenig, als sie die verfinsterten Augen Grassows entdeckten. Sie fühlten sich schuldig, obwohl sie nichts getan hatten.
    Maries Vormund spürte, dass sich etwas zusammenbraute.
    Sie saß regungslos, zuckte mit keiner Wimper; wenn ein Gefährt besonders rasch vorbeifuhr, stierte sie in den Himmel und zog den Wolken das Weiß ab. Er wusste, dass ihr Verhalten mit ihrem verstorbenen Onkel zusammenhängen musste. Irgendetwas war geschehen, das sie einschüchterte, das sie an ihrem eigenen Körper verzweifeln ließ. Mit einem alten kauzigen Köhler zusammenzuleben, war sicher alles andere als einfach. Marie musste in Küche und Haus nach dem Rechten schauen. Grassow stellte sich vor, wie sie wutentflammt in Abwesenheit ihres Vormunds keinen Finger rührte, voller Ingrimm auf einem Schemel aus Holz saß und Kuchen in sich hineinstopfte, den sie am Vortag gebacken hatte.
    Vor dem Einschlafen krümmte sich Marie, wälzte sich im Bett wälzte hin und her. Die Decke zwang sie zwischen die Beine, rieb sie gegeneinander, fing einen Juckreiz ein, kratzte sich und musste aufstehen, ein Tuch zum Abwischen des Blutes zu holen. Die Mutter war für immer verschwunden. Nirgendwo auf der Erdoberfläche war sie aufzuspüren – vollkommen weg, wie vom Erdboden verschluckt. Ihre violetten Flecken auf der bleichen Haut ... sie rührten von Verletzungen her. Selbst beigebracht, weil diese Ohnmacht nicht mehr auszuhalten war. Ihr Onkel hatte ihr ein Tuch in den schreienden Mund gesteckt. Damals besaß sie noch alle Zähne.
    Nach anderthalb Monaten bemerkte Grassow, dass Marie in ihrem schönen jungen Gesicht empfindliche Zahnlücken aufwies. Er schickte sie zum Arzt, doch der konnte nur feststellen, dass das Gebiss gut erhalten war, diese Lücken wohl auf eine äußere Einwirkung zurückzuführen seien. Grassow traute dem Urteil nicht vollends – und machte sich seine eigenen Gedanken hierzu. Der Ausfall musste Gründe in der Tiefe haben. Erneut nahm er Marie ins Gebet: »Was ist geschehen? Rede doch endlich, Mädchen, willst du nicht hören?« Es hatte keinen Zweck. Sie schwieg und saß den ganzen Sommer auf der Bank vor dem Haus.
    Am Vormittag hielten sie Unterricht in der Wohnstube, denn er hatte sie überreden können, ein klein wenig zu lernen. Es sei nur zu ihrem Besten. Sie setzte eine höhnische Lache auf, was ihn verletzte. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und beharrte auf zwei Stunden Unterricht. Marie stimmte zu.
    Sie las eine

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