Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
bald beenden. Ihm schien bereits ein anderes Geschäft einträglicher: der Handel mit den Kolonien der Neuen Welt. In seiner Schublade lagen einige Warenauflistungen, die ihm feixe Sehnsüchte ins Hirn schleusten. Ganze Schiffsladungen mit Gewürzen, billiger Arbeitskraft und vor allem Gold – das malte sich der Kanzler der Stadt aus. Hierfür müssten die vor den Stadtmauern herumstreunenden Wölfe gezähmt, besser noch vernichtet werden. Diese Lust an der Wildnis konnte sich wie ein Heuballen zu einer gefährlichen Brandkugel entwickeln, die Stadt und ihre Ordnung unter sich zermalmen. Er tippte mit den Fingern auf den Tisch. Es mussten einige Entscheidungen im Rat gefällt werden. Seine Unterwäsche war immer noch feucht. Wie unangenehm, mit ihr auf einem Ledersessel zu sitzen.
Es hatten sich einige unerfreuliche Dinge ergeben. Blanckenburg rutschte auf seinem Sessel herum, als jucke ihn sein Hintern ganz besonders. Er musste kräftig schlucken. Schließlich hielt er es in seiner Kanzlei nicht mehr aus, und er machte sich zum Ausgehen bereit. Ein Angestellter hatte ihm eine neue Hose hingelegt. Seine Unterwäsche war immer noch ein wenig feucht, als er in die trockene Hose schlüpfte.
* * *
Die Straßen füllten sich mit einem seltsamen Geruch. Frischer kühler Regen, ein wenig Torf darunter, vorwiegend Mief wie aus vergammelten Kellerlöchern. Blanckenburg setzte schnell voran. Ihm war es, als ob ihm ein geheimer Beobachter folgte. Er beschleunigte seine Schritte. Es roch nun seltsam nach Hund. Ein muffiger Gestank, widerwärtig, wie schlecht es inzwischen um die Stadt stand. Die Wölfe stimmten ihr dummes Geheul vor den Toren der Stadt an, marodierende Banden durchzogen das Land, und die Verteidigung der Stadt war nicht unbedingt gesichert. In diese Zeit brach das Heulen von den Wäldern einer Sturmflut gleich herein. Ungesättigte Bestien, tierische Gelüste, aus der Tiefe des Waldes. Zwei Städte – Mar- und Limburg – hatten sich in die Haare bekommen. Es ging um die Nutzung der Lahn. Die Kutter sollten nicht nur innerhalb der Stadtgrenzen ihren Zoll entrichten. Ein Fluss kenne keine Mauern und Grenzpfähle. Die Stadt besitze ein natürliches Recht darauf, ihre Forderungen auch über die Stadtgrenzen hinaus zu stellen.
Das stieß bei den Bauern vor den Toren der beiden Städte auf wenig Gegenliebe, und es braute sich ein Aufruhr zusammen. Blanckenburg hatte bereits Soldaten angefordert, obgleich ihm die Söldnerseelen zuwider waren. Der Pöbel schrie immer nach seinem Glück, seinem Wohlergehen, doch das dafür Opfer erbracht werden müssen, ging in diese kleinen Schädel nicht hinein. Der Kanzler dachte oft daran, dass mancher Unmut aus dem Volk eine Durchführung vereitelt hatte. Mittlerweile regte er sich nicht mehr auf, er beruhigte sich mit kleinen Törtchen.
Dazu kam noch, dass eine Nichte verrückt spielte. Sie verstand sich als Prophetin wider Willen, beließ es nicht nur bei wirren Reden, von Gott und seinem letzten Strafgericht. In Krämpfen wälzte sie sich auf dem Boden, sodass ein Arzt hinzugezogen wurde. Man überlegte bereits, nach einem Exorzisten im Vatikan zu senden. Vielleicht kam der Teufel auf die Erde, um das letzte Gefecht für sich zu entscheiden. Klug, wie er war, sandte er seine Schergen inkognito und konnte so weite Teile des Landes unter seine geheime Herrschaft bringen. Blanckenburg wollte dieser üblen Strategie keinen Glauben schenken. Stattdessen vertraute er auf die Söldner, die bald die Ordnung wiederhergestellt haben sollten. Diese Zuckungen des Teufels fand man bei schwachen Weibern mit einer nervösen Grundhaltung. Die Frauen müssten in Gewahrsam genommen werden. Es gab ausreichend Irrenärzte, die sich ihrer Verzückungen annehmen konnten. Blanckenburg konnte sich das Auftreten dieser Irren nicht erklären. Der Teufel konnte nicht für solch eine Abweichung der Natur herhalten. Es musste eine verschwörerische Absicht dahinterstecken. Vielleicht wollten die Frauen nur ihre Ruhe haben. Und diese Verweigerung verdiente allein die höchste Strafe.
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Grassow hatte fertig gepackt und wollte mit dem eigenen Fuhrwerk in die Stadt fahren. Marie krümmte sich in der Ecke. Er versuchte, sie nicht weiter zu beachten. In der Stadt wollte er einen Wunderheiler aufsuchen. Zumindest hatte ihn ein Marktweib vor einer Woche darauf hingewiesen, dass er in der Stadt einen Magnetiseur finden könne, der paracelsische Substanzen sein Eigen nenne. Sein Preis sei nicht
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