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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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um, als sie durch das Tor schritten. Der Durchgang unter dem Torbogen war lang und dunkel und roch modrig. Dahinter lag eine große Halle, um die rundum eine hölzerne Galerie lief. In alten Zeiten hatten dort wohl die Musikanten gesessen, die die Gäste mit Musik und Gesang unterhielten. Jetzt machte die Halle mit ihren verblichenen Wandbehängen und dem riesigen schwarzen Tisch in der Mitte einen trostlosen Eindruck.
    Joschka Bühler bemerkte ihre Blicke. »Tja, ein fröhliches Haus ist Schloss Heidebrock leider nicht. Vielleicht wird sich das ja ändern, wenn der junge Herr hierher kommt. Gehen wir zu mir, dort werden Sie sich eher wohl fühlen als hier.«
    Wenig später saßen sie in Bühlers Wohnung im Wappenturm, die tatsächlich weitaus gemütlicher als die Halle war. Auf einem mächtigen Eichenholztisch war ein einfaches Abendessen gedeckt: Bauernbrot, Schinken, Käse und Wein. In einem offenen Kamin brannte ein Feuer. Obwohl es im Freien sehr warm war, herrschte im Inneren der Burg eine klamme Kälte. Wie Bühler sagte, mussten sie fast das ganze Jahr über ein Feuer brennen lassen, um zu verhindern, dass die Möbel schimmelten.
    Sie setzten sich zum Essen und langten herzhaft zu. Danach zündete sich Bühler eine Pfeife an und begann zu erzählen. Er plauderte in einem fort, sichtlich erfreut über den Besuch. Wahrscheinlich , dachte Julia, hat er sich in diesem trübsinnigen Gemäuer sehr einsam gefühlt. Sie erfuhren von ihm, dass die Burg seit dem 17. Jahrhundert ein trostloser Ort gewesen war. Es schien fast, als sei es nach dem Tod der Vampirgräfin noch schlimmer geworden als zu ihren Lebzeiten!
    Zwei ihrer Schwestern waren mit ihren Gatten auf die Burg gezogen. Kaum hatten sie sich eingerichtet, da flüsterte man da und dort in den Dörfern, man hätte die Gräfin Samantha gesehen. Einige sahen sie auf ihrem wilden schwarzen Hengst durch die Wälder hetzen, jung und schön, mit blitzenden Augen und einem blutroten Mund. Anderen erschien sie als hässliche, ausgemergelte Alte mit weißem Haar und zu Klauen ausgewachsenen Fingernägeln. Sie war dann barfuß und in ein schmutziges Leichenhemd gehüllt. Manchmal näherte sie sich in lieblicher Gestalt mit falschem Lächeln und tückischer Freundlichkeit einem Kind, das allein in der Abenddämmerung spielte. Oder sie schlich sich an eine junge Magd heran, die bei Nacht nach Hause ging. Sie nahm sie bei der Hand, küsste und umarmte sie, um dann plötzlich zuzubeißen. Ein anderes Mal jagte sie als grausiges Gespenst nächtlichen Wanderern nach. Bekam sie diese zu packen, so fiel sie zähneknirschend und fauchend wie ein Raubtier über sie her, biss sie in den Hals und kratzte ihnen die Haut blutig.
    Der Bischof Severin wurde zu Hilfe gerufen. Er wollte der Toten den Kopf abschneiden und ihr einen Pfahl ins Herz treiben, aber die Hexenkönigin erschien in ihrer blutroten Robe aus Menschenhaut vor ihm in der Gruft. Ihr Bannfluch lähmte seine Hand, dass ihm Hammer und Pflöcke entfielen. Da die Gräfin einen Pakt mit ihr geschlossen hatte, beschützte das Dämonenweib sie. Man erzählte sich, dass der Bischof eine Nacht lang mit der Hexenkönigin Astarte kämpfte, aber er vermochte nicht, sie völlig zu besiegen. Zuletzt gelang es ihm, die Gräfin in ihren Sarg zu bannen. Die Hexenkönigin bestand jedoch darauf, dass Samantha aus ihrem Todesschlaf erwachen durfte, wenn eine Frau als Herrin auf die Burg zog.
    Das erschien dem Bischof, der von dem furchtbaren Kampf erschöpft war, keine schwere Bedingung. Die Familie von Weldern besaß ein prächtiges Palais in Wien und mehrere hübsche Jagdschlösser und Sommerhäuser, sodass die adeligen Damen genug Ausweichmöglichkeiten hatten. Zuerst schien auch alles gut zu gehen. Kaum hatten die Frauen die Burg verlassen, erlosch die Vampirplage. Zu Lebzeiten des Bischofs und noch hundert Jahre später wohnten nur Männer auf der Burg.
    Selbst die Neugeborenen trug man, wenn es Mädchen waren, eilig hinaus. Obwohl in der Vereinbarung des Bischofs mit der Hexenkönigin nur von den Herrinnen der Burg die Rede gewesen war, bürgerte es sich bald ein, dass auch sonst keine Frau die Festung betrat. Männer kochten und backten in den Küchen, Männer bedienten bei Tisch und fegten die Zimmer, wuschen das Geschirr und wischten die Fenster blank.
    Alles wäre wahrscheinlich weiterhin gut verlaufen, hätte nicht hundert Jahre nach dem Tod der Gräfin Samantha ein junger Burgherr eine Frau geheiratet, der das alte Schloss

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