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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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löschte die Kerze und löste ihre Hände aus denen der Übrigen. »Wir sind ein ganzes Stück weitergekommen, nicht wahr? Nun wissen Sie also, wie Sie vorgehen müssen. Allerdings rate ich Ihnen dringend, das erst morgen zu tun. Heute ist es zu spät. In der Nacht sind die Untoten mächtig. Und nun bitte ich Sie, mir ein Nachtlager im Schloss richten zu lassen, denn nicht einmal ich möchte nachts unterwegs sein, solange die Blutgräfin noch ihr Unwesen treibt.«
    * * *
    Julia und Jan gingen beide früh zu Bett. Jan schlief sofort ein, offenbar tief und fest, wie seinem gelegentlichen leisen Schnarchen zu entnehmen war. Julia dagegen hatte erst Mühe zu entschlummern, und als es ihr endlich gelang, suchte sie ein Albtraum heim.
    Sie träumte, dass zwei gespenstische Frauen in ihrem Zimmer erschienen: die schöne Samantha, prächtig gekleidet und mit einem Übermaß von Juwelen behängt, und Rosalia, deren schattenhaftes Abbild sie am Abend im Kerzenrauch gesehen hatte. Die beiden traten an ihr Bett heran, murmelten und schnieften und hoben schließlich die Decken an, um sie zu betrachten. Die Alte mit der schwarzen Haube holte ein Töpfchen aus ihren Kleidern hervor, fuhr mit den Fingern hinein und bestrich Julia Bauch und Brust, Stirn, Hände und Füße mit dem scharf und ranzig riechenden Inhalt. Dann zwangen sie sie, aus dem Bett zu steigen, und nahmen sie im Nachthemd mit sich fort. Sie liefen mit ihr lange dunkle Flure entlang, und es schien, dass sie zuweilen glatt durch die Wände gingen. Eben befanden sie sich noch in einem Zimmer und dann unversehens in einem anderen. Verblasste und verwahrloste Räumlichkeiten zogen an ihr vorbei. Sie huschte mit ihren unheimlichen Begleiterinnen durch das Bankettzimmer im ersten Stock, in dem das bleiche Mondlicht den Staub auf dem Boden beleuchtete, und passierte weitere endlos wirkende Flure. Schließlich gelangten sie in den Raum, in dem die Eisenfigur stand – aber wie anders sah dieser jetzt aus!
    Die prächtigen Tapeten an den Wänden erstrahlten in ihrem ursprünglichen Glanz. Im Kamin brannte ein helles Feuer. Mehrere samtbezogene und vergoldete Stühle standen im Raum herum. Julia fand sich in einem davon wieder – und sah, dass sie sich in einer Folterkammer befand.
    Nicht nur die grausige Figur war da. An den Wänden hingen auch, säuberlich geordnet, Peitschen und Stöcke, Stichel und Messer – kalte, blitzende Klingen. Überall in dem weitläufigen Gemach standen Folterinstrumente. Das Schlimmste war ein Käfig, in den von allen Seiten scharfe Stahlzacken hineinragten. Der Boden war mit eisernen Dornen bestückt. Samantha lächelte, als sie Julias entsetzten Blick sah, trat hin und drehte an einem Mechanismus, sodass die Wände näher zusammenglitten. Der Raum dazwischen wurde immer schmaler und enger. Jeder Körper, der sich in diesem Käfig befand, musste unausweichlich von den scharfen Metallspießen durchbohrt und zerschnitten werden.
    Jetzt sah Julia auch die beiden mit Gittertüren verschlossenen Nischen an einer Seite des Raumes. Es schien ihr, dass sich etwas Lebendiges darin bewegte. Aber alles war wie von feinem Rauch oder Nebel überzogen. Manchmal wogte das Bild wie eine Spiegelung im Wasser, sodass sie nicht leicht etwas Genaues erkennen konnte, so sehr sie sich auch bemühte. Zahlreiche Kerzen glänzten im Raum. Es war heiß, und Blutgeruch lag in der Luft. Blutgeruch und, noch schlimmer, der süßliche Geruch von verbranntem Fleisch.
    »Willkommen, liebe junge Damen«, zischelte die grässliche Alte mit speichelndem Mund.
    Julia blickte sich um, ob noch jemand da war. Und tatsächlich! Da stand, ebenfalls in ihrem Nachthemd, Elsa, Markus von Welderns Verlobte! Ihre Augen blitzten, ihr roter Mund war leicht geöffnet. Sie starrte fasziniert die teuflische Gräfin an. Julia entdeckte mit Schaudern, welche Ähnlichkeit zwischen den beiden bestand: Dasselbe goldene Haar, dieselben kornblumenblauen Augen! Und nun streckte Samantha mit einem verführerischen Lächeln die Hand aus, und Elsa ergriff sie.
    »Sehr gut so«, flüsterte Rosalie mit krächzender Stimme. »Nun wollen wir sehen, was wir Euch zu Gefallen tun können. Greift zu und lasst es Euch schmecken!« Sie stand auf und zog mit einer Hand ein silbernes Wägelchen heran, auf dem köstliche kleine Brötchen und Kuchen aufgedeckt waren, dazu Krüge roten und weißen Weines. »Bedient Euch!«
    Julia schauderte erneut. Eine fliegende Hitze hatte sie befallen. Ihre Glieder waren bleischwer,

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