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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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führte. Hawthorne gab den Befehl weiter, ohne zu fragen. Auf dem Quarterdeck jedoch hörte er einen Wortwechsel mit, als er die Leiter hinaufstieg.
    »Aber es war doch vereinbart, dass wir Laternen am Großmast haben und ein blaues Leuchtfeuer«, beharrte Barthe und ließ sich seinen Unmut anmerken.
    »Es war Mr Haydens Idee«, schoss Hart zurück, »und eine dumme dazu, wie nicht anders zu erwarten.«
    Hawthorne konnte den Master und den Kommandanten im Zwielicht kaum erkennen. Ein Blick zum Himmel hinauf verriet ihm, dass die Sterne hinter einer dünnen Wolkenschicht verschwanden.
    »Aber unsere eigenen Schiffe könnten auf uns schießen«, entgegnete Barthe.
    »Der Teufel soll Sie holen, Mr Barthe«, fluchte der Kommandant. »Die Tenacious und die Lucy haben mit einer französischen Prise zu tun, ganz zu schweigen von dem Schaden am Rumpf und dem Rigg. Wir teilen uns diese Gewässer mit vier französischen Schiffen, und wenn wir noch Laternen aufhängen, verraten wir nur unsere Position. Aus der Dunkelheit wird man auf uns feuern. Es werden keine Lichter gesetzt. So lautet mein Befehl.«
    Hawthorne ging an Backbord die Gangway entlang. Einen Moment lang blickte er hinab in das düstere Mittelschiff, wo die Geschützbedienungen auf ihren Positionen waren. Er fragte sich, ob die Männer im Schutz der Dunkelheit versuchen würden, Schwierigkeiten zu machen.
    Ein Mann stieß gegen ihn, worauf der Leutnant der Seesoldaten fast von der Gangway gefallen wäre. Der andere entschuldigte sich sofort und führte die Hand zur Stirn. Hawthorne vermochte nicht zu sagen, wer dieser Matrose war. Daher ging er weiter und tastete sich am Schanzkleid entlang. Seine Leute waren auf ihren Posten, so viel wusste er.
    »Ich dachte, ich hätte etwas gesehen, Sir«, wisperte ein Korporal. »Dort, dwars. Ein Strich backbord.«
    Hawthorne spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Die Lichter hinten auf der Île de Groix spendeten noch schwaches Licht, doch von See her zog Nebel auf und hüllte alles ein.
    »Sehen Sie das, Sir? Ein Licht, vielleicht ...«
    »Möglich. Ich muss den Kommandanten informieren.«
    Er eilte zurück aufs Quarterdeck und traf Hart an der Steuerbordseite an, wo er auf und ab schritt. Der Wind war nicht mehr als ein Flüstern in den Segeln, und Hawthorne war sich sicher, dass sie kaum noch Fahrt hatten.
    »Einer meiner Posten glaubt, ein Licht gesehen zu haben, ein Strich backbord dwars.«
    Hart ging hinüber zur Backbordseite, gefolgt von Landry, wie Hawthorne vermutete. Die Nacht war nun so schwarz, dass man kaum noch die Hand vor Augen sah. Der Kommandant und sein Lakai blickten hinaus aufs dunkle Meer. Harts Unsicherheit war ihm deutlich anzumerken.
    »Ich denke, es ist ein Licht«, bestätigte Landry. »Einen Moment lang habe ich es gesehen.«
    Der Nebel kam von Westen heran, schweigend, unnachgiebig. Er kroch über das Schiff wie ein fremdes Wesen und verschluckte Mann und Fregatte mit seiner konturenlosen Masse.
    »Glauben Sie, die wissen, dass wir hier sind?«, flüsterte Landry mit brüchiger Stimme.
    »Das wissen wir spätestens dann, wenn ein Sechspfünder-Geschoss Sie in Stücke reißt«, ließ sich der Master aus der Dunkelheit vernehmen.
    »Wir werden eine Breitseite abfeuern«, kündigte Hart plötzlich an.
    »Aber, Kapitän«, entgegnete Barthe, »wir wissen doch nicht mal, ob es ein französisches Schiff ist.«
    »Wir sind hier in französischen Gewässern«, hielt Hart dagegen, »daher kann es nur ein Franzose sein. Mr Landry, bereit machen für die Batterie an Backbord.«
    »Aber wo ist unser Ziel?«
    »Steuermann«, ordnete Hart an, »ein Strich nach Steuerbord. Unser Ziel ist vor uns. An die Arbeit!«
    Hawthorne hörte, wie Landry im Dunklen vorwärtsstolperte und die Befehle weitergab.
    »Der Himmel zieht sich zu, Mr Hayden«, stellte Philpott fest. Ein kalter, feuchter Nebel wehte langsam über die Reling.
    Hayden sah, dass die Sterne inzwischen kaum noch zu erkennen waren. »Als hätten wir nicht schon genug Schwierigkeiten, unsere Beute aufzuspüren.« Er beugte sich zu Philpott hinüber und flüsterte, damit ihn sonst niemand hören konnte. »Unter anderen Umständen würde ich die Männer in die Boote schicken und versuchen, den Feind auf offener See zu entern, aber wir wissen nicht, ob Infanterie an Bord ist. Ich halte das allerdings für unwahrscheinlich. Wie viele Soldaten kann die Garnison in Belle He entbehren?«
    Philpott nickte in der Dunkelheit. »Das ist die Frage.

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