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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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vernehmlich. Ein unruhiges Raunen ging durch die Männer an Deck.
    »Ruhe an Deck!«, rief Wickham laut.
    »Achtung dort oben!« Das war Griffiths' Stimme aus einem der Boote. »Der Kommandant kommt an Bord!«
    Die Taljen quietschten, als Kapitän Hart mit dem Bootsmannsstuhl an Bord gehievt wurde. Er konnte sich kaum in der sitzenden Position halten. Nun kletterte Landry über die Reling und half dem Kommandanten auf das Deck. Hart stöhnte fürchterlich. Der Mantel des Kommandanten, den er nur lose über den Schultern trug, verrutschte, und Schweigen erfasste die Männer an Bord wie eine kalte Woge. Harts Rücken war von blutigen Streifen überzogen.
    Landry schaute auf. Pulver hatte sich in seine Poren gebrannt, die Augen lagen tief in den Höhlen. »Zwei Dutzend Hiebe«, erklärte er, »mit Eifer verabreicht.«
    »Wer hat das getan?«
    »Stuckey schwang die neunschwänzige Katze ...«
    »Stuckey ...?«, wiederholte Hayden.
    Griffiths betrat nun das Deck und brauchte etwas Hilfe, um aufrecht stehen zu können. »Wir müssen Kapitän Hart unter Deck bringen«, sagte er und wischte sich den Schweiß aus dem unrasierten Gesicht.
    »Der französische Arzt hat vorn ein Lazarett eingerichtet«, erklärte Hayden.
    »Ich werde Hart selber versorgen«, beharrte Griffiths.
    »Natürlich.« Hayden half den anderen, den verletzten Kommandanten hochzuheben. »Vorsicht, Männer«, mahnte er.
    Hart wurde unter Deck getragen und in eine der Hängematten gelegt, während sich Doktor Griffiths in gebrochenem Französisch mit dem Schiffsarzt unterhielt. Hayden entfernte sich und hörte noch Harts Schmerzensschreie.
    Kurz darauf war er wieder an Deck und rief Hawthorne und Barthe zu sich. In solchen Augenblicken kam stets eine wilde Entschlossenheit über ihn. All die Jahre unter einem Kommandanten wie Bourne kehrten wieder in sein Bewusstsein zurück. Hayden traf seine Entscheidungen erstaunlich rasch, indem er die ihm zugetragenen Informationen mit einer fast unheimlichen Intuition verarbeitete.
    »Sagen Sie mir, wie viele Männer in den Booten waren«, sagte er.
    »Einundfünfzig«, antwortete Hawthorne prompt. »Aber O'Connor starb noch unterwegs. Wir mussten ihn über Bord werfen.«
    »Wie viele können noch kämpfen oder an Deck arbeiten?«
    Hawthorne warf einen Blick auf den Master.
    »Acht von zehn, Mr Hayden«, antwortete Barthe, »aber die Männer sind alle hungrig und durstig und brauchen Ruhe.«
    »Genug zu essen und zu trinken haben wir. Ausruhen können sich die Männer nicht. Wie viele sind noch an Bord der Themis?«
    »Doktor Griffiths schätzt, dass dreißig getötet wurden. Weitere fünfzehn Mann sind zu stark verletzt, um noch Wache zu stehen. Sie waren vierzehn Mann, als Sie von der Lucy aufbrachen. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, müssten noch etwa knapp hundert Seeleute an Bord der Themis sein, viele davon eher unerfahrene Landratten.«
    »Wir sind ungefähr achtzig Mann«, sagte Hayden. »Mr Barthe, werden Sie uns wieder als Master zur Verfügung stehen?«
    Der Mann wollte pflichtgemäß an seinen Hut tippen und merkte zu spät, dass er keinen mehr auf dem Kopf hatte. »Wenn Sie der Kommandant sind, Mr Hayden, dann bin ich Ihr Master.«
    »Mr Wickham?«, rief Hayden.
    »Hier, Mr Hayden«, sagte der Junge und trat vor. Er hatte sich hier und da mit den Ausgesetzten unterhalten, die irgendwo an Deck saßen. Erst da sah Hayden, dass Wickham Feder und Papier in den Händen hielt.
    »Was machen Sie da?«, fragte Hayden ihn.
    »Ich fertige eine Liste an mit den Namen der Männer, die in den Booten saßen. Wir bringen die Verwundeten gerade unter Deck zu den Ärzten.«
    »Mr Wickham, wenn Sie weiter so gründlich vorgehen, werden Sie der nächste Erste Lord. Wir müssen die Besatzung zusammenstellen, so gut es eben geht. Veranlassen Sie, dass die Männer genug zu essen bekommen. Dann stellen Sie Wachen auf.« Er wandte sich an Barthe. »Wie weit entfernt mag die Themis jetzt sein?«
    »Nicht so weit, wie Sie vielleicht denken. Die Männer waren lange uneins über das weitere Vorgehen und stritten sich.« Barthe fuhr sich mit einer Hand durch das struppige Haar. »Vielleicht drei Seemeilen. Sie kommen nicht schnell voran, da sie zu wenig Männer für die Segel haben.«
    »Dann brauchen wir Vorbramsegel, Mr Barthe, und Großleesegel. Vielleicht holen wir die Themis nicht ein, aber wir wollen es wenigstens versuchen. Sobald die Männer etwas gegessen haben und eingeteilt sind, setzen wir den neuen Kurs.«
    Hayden

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