Unter feindlicher Flagge
wissen. »Warum hassen die anderen ihn so?«
»Sie halten ihn für einen Zigeuner«, log Hayden.
»Aha«, machte der Leutnant. »Er hat diesen dunklen Teint, nicht wahr? Haben Sie keine Angst, dass er Sie bestiehlt?«
»Er wird mir nichts stehlen.«
Der Leutnant wirkte ein wenig verlegen, da er nicht recht wusste, was er mit Haydens Worten anfangen sollte. »Natürlich wissen Sie, was Sie tun, Sir«, fuhr er halb entschuldigend fort. »Ich werde dann zur Tenacious zurückkehren, wenn Sie keine weitere Verwendung für mich haben.«
Hayden bedankte sich bei dem Mann für die Unterstützung und schüttelte ihm zum Abschied die Hand.
Schließlich wandte er sich Wickham zu. »Haben Sie das Gespräch auf Französisch verstanden?«
Wickham nahm seinen Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Ja, Mr Hayden. Wie - bemerkenswert.«
»Ich möchte Sie bitten, Stillschweigen darüber zu wahren. Der Mann ist schon genug drangsaliert worden.«
Wickham nickte. »Gewiss, Sir. Kein Wort. Aber wenn wir England erreichen, wird er auf eines der Gefängnisschiffe müssen. Dort werden Sie ihn nicht mehr beschützen können.«
»Stimmt, aber die nächsten Tage kann er ohne Furcht leben. Das dürfte mir gelingen. Kommen Sie, wir haben viel zu tun. Ich möchte unterwegs sein, ehe die Sonne im Zenit steht.«
Doch es war schon nach Mittag, als das Schiff endlich für die Abfahrt bereit war. Hayden blickte auf die kleine Besatzung - gerade einmal vierzig Mann -, die über das Deck liefen oder über die Wanten aufenterten. Er hoffte, dass der Wind für die Rückfahrt günstig war, da nicht genug Männer zum Segeleinholen an Bord waren. Bei einem Sturm würden sie Schwierigkeiten bekommen.
»Gleitet sie nicht elegant durchs Wasser?«, merkte Wickham an. Der junge Midshipman stand neben dem Steuermann und ließ den Blick begeistert über das Schiff streifen. Seine erste Fahrt als stellvertretender Leutnant. Für ihn tat es nichts zur Sache, dass er die Stellung nur deshalb bekommen hatte, weil es kaum Offiziere gab und weil sein eigenes Schiff davongesegelt war. Lord Arthur war nun ein Offizier - zumindest für ein paar Tage.
»Ja, sie liegt gut im Wasser, Mr Wickham.«
»Ich glaube, sie hat mehr Fahrt als die Themis bei denselben Bedingungen.«
»Möglich«, antwortete Hayden und unterdrückte ein Lächeln. Dann trat er an die Heckreling und blickte zum Horizont. Die Tenacious und die Lucy wurden allmählich kleiner, und in Richtung der französischen Küste sah er einige Segel durch den tief hängenden Nebel aufblitzen - Kaperfahrer oder Fischerboote. Diesen Booten schenkte er keine Beachtung, was er wahrscheinlich auch dann nicht getan hätte, wenn das Schiff kampfbereit gewesen wäre. Wenn sie nun irgendwo dem Feind begegneten, würde er auf Ausweichmanöver und Gebete angewiesen sein, denn seine kleine Mannschaft konnte nicht gleichzeitig die Geschütze und die Segel bedienen.
Hayden strich mit einer Hand über die Reling - französische Eiche. Obwohl sich das Schiff nur grob von einer englischen Fregatte unterschied, fühlte sich die Dragoon seltsam vertraut und fremdartig zugleich an.
»Deck!«, rief der Mann aus dem Ausguck. »Offene Boote, ein Strich steuerbord voraus!«
»Sind es Fischer, Price?«, rief er.
»Sieht nicht danach aus, Sir. Sehen wie Beiboote aus.«
»Entern Sie auf und schauen Sie nach, was Sie erkennen können, Mr Wickham.«
»Sir.« Der Midshipman eilte los und kletterte mit dem ihm eigenen Eifer die Wanten hinauf. Hayden war insgeheim beruhigt, dass dem Jungen der neue Status an Bord noch nicht zu Kopfe gestiegen war und er einer Aufgabe wie dieser noch bereitwillig nachkam.
Augenblicke später stand Wickham oben auf der Plattform und schaute herunter zu Hayden, der weiter nach vorn ging. »Ich wette, dass Price recht hat, Mr Hayden. Ich fresse einen Besen, wenn das keine Beiboote sind.«
»Kurs steuerbord!«, rief Hayden dem Mann am Steuerrad zu. »Ein Strich. Segeltrimmer auf ihre Positionen.«
Es waren so wenige Männer an Bord, dass Hayden selbst mit anpackte. Fast hatte er vergessen, wie sich die salzverkrusteten Taue aus Hanf anfühlten. Dann ließ er sich sein Fernglas bringen, stand am Bug und blickte auf die Boote in der Ferne. Noch waren sie zu weit entfernt, um die Männer erkennen zu können. Mal waren die Boote in einem Wellental, dann wieder auf einem Wellenkamm. Hayden schlang sich das Glas um den Hals und kletterte zu Wickham hinauf in den Fockmast. Angestrengt
Weitere Kostenlose Bücher