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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Franzose durchgehen würde, nicht aber die anderen an Bord. Daher war es durchaus möglich, dass die Franzosen die Tarnung durchschauten, sobald sie näher herankamen. Da sich der Nebel inzwischen aufgelöst hatte, musste Hayden dafür sorgen, dass sie stets auf Distanz zum Feind blieben.
    Langsam beschrieb er auf dem Quarterdeck einen Kreis und ließ den kritischen Blick über die See streifen. Im Osten bildete die französische Küste eine unregelmäßige blaue Linie. Eine Landspitze hielt er für die Pointe du Raz. Hinter der La Rochelle hoben sich einige weiße Flecken und dünne Masten vom azurblauen Himmel ab - gewiss Segel von Fischerbooten und kleineren Handelsschiffen. Die Brise kam nun von Südwest, aber auf dem Wasser waren noch keine Schaumkronen zu sehen - sieben Knoten machten sie, so schätzte er. Voraus schaukelte die Themis sanft auf der Dünung der Biskaya, ihre Bramsegel blähten sich. Noch vermochte er nicht zu sagen, ob die Dragoon aufholte, aber er hatte zumindest den Eindruck, dass sie mehr Fahrt machten.
    In diesem Moment gesellte sich Doktor Griffiths zu ihm.
    »Guten Morgen, Doktor. Wie geht es unseren Kranken und Verletzten?« Hayden war etwas verlegen, dass er so froh gelaunt war, da der Schiffsarzt sehr grimmig dreinblickte. Er hatte ganz verquollene Augen und wirkte erschöpft.
    Griffiths trat näher an Hayden heran und sagte leise: »Wir haben letzte Nacht McLeod verloren, Kapitän.«
    »Oh, das tut mir leid ...«
    »Und Kapitän Harts Zustand verschlechtert sich. Er braucht einen Arzt, ein Hospital. Und Arzneien, die ich nicht an Bord habe.« Der Doktor schaute sich um und sah die anderen Schiffe. »Haben Sie je daran gedacht, was geschehen könnte, wenn Hart stirbt? Er hat viele Freunde in der Navy Seiner Majestät, Mr Hayden. Wenn die Admiralität den Eindruck hat, dass Hart womöglich überlebt hätte, wenn Sie nicht darauf gedrängt hätten, die Themis zu verfolgen - zumal Sie Harts ausdrücklichem Befehl zuwider handelten.«
    »Wir segeln nicht immer gleich nach England, nur weil ein Mann an Bord verletzt ist, Doktor Griffiths, wie Sie sehr wohl wissen. Hart hat bestimmt nie in Erwägung gezogen, einen ausgepeitschten Mann zurück in den Hafen zu bringen. Ob ein Mensch lebt oder stirbt, hängt vom Willen Gottes und dem Geschick unserer Ärzte ab. Ich werde keine Ausnahme machen für Hart, solange es danach aussieht, dass ein britisches Schiff den Franzosen übergeben werden soll.« Er deutete voraus. »Nicht, solange dieses Schiff so dicht an uns dran ist.«
    »Ja, Mr Hayden, ich weiß, dass wir nicht sofort einen Hafen aufsuchen, sobald ein Mann verwundet ist, aber Hart ist Kapitän und Kommandant, ein Mann also, der innerhalb der Admiralität über einflussreiche Beziehungen verfügt. Die Sache hat also noch eine politische Komponente.« Griffiths wirkte selbst etwas kränklich, was seine Stimmung und seine Erscheinung betraf.
    »Ich bin mir dessen bewusst, Doktor, danke. Aber ich denke, ich weiß, was die Pflicht von mir verlangt. Ich werde Mr Barthe wissen lassen, dass Ihre Bedenken ins Logbuch eingetragen werden, falls sich Kapitän Harts Zustand weiter verschlechtert. Sie wird keine Schuld treffen.«
    »Ich mache mir gar nicht so viele Gedanken um meine Zukunft in der Navy, sondern eher um Ihre beruflichen Aussichten, Mr Hayden. Es stünde gewiss besser um Ihre Karriere, wenn Sie Hart rasch in die Obhut eines Hospitals und zurück zu seiner Gemahlin brächten, anstatt Meuterern hinterher zu jagen. Aber ich habe alles gesagt.« Erneut schaute er hinüber zu den Schiffen. »Glauben Sie, Stuckey und die anderen werden sich kampflos ergeben?«
    »Wenn wir ihnen vorgaukeln, dass wir Franzosen sind, streichen sie vielleicht die Flagge, aber ich bin mir nicht sicher. Sie wollen nicht, dass ihr Schiff eine Prise wird. Denn das würde bedeuten, dass sie selbst in Gefangenschaft enden.«
    Der Schiffsarzt betrachtete ihn mit eigenartigem Blick. »Kaum ein langweiliger Tag, seit Sie Ihren Weg auf unser Schiff gefunden haben, Mr Hayden.«
    »Bedauern Sie das, Doktor?«
    Griffiths sah ihn aus klugen, wachen Augen an. »Als Doktor, ja, denn unsere Liste an Verletzten und Toten ist beträchtlich angewachsen. Und manches Leid hat uns befallen. Aber als Engländer bin ich ziemlich stolz auf das, was wir erreicht haben.«
    »Nun, Doktor, ich werde mich wie immer bemühen, dass wir möglichst wenig Verwundete haben.«
    In diesem Moment donnerte eine Kanone, und eine Kugel schlug nicht weit

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