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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Weg durch die Stuhlreihen und übergab Mr Barthe ein Päckchen. Der Master öffnete es sichtlich gespannt.
    Gesegnet seien die geschickten Hände von Worth, dachte Hayden in stiller Freude.
    »Nun, Sir«, sagte Archer kurz darauf, »ich stimme mit Mr Hayden überein, dass Aldrich nicht zu den Meuterern zählt und dass die Männer nicht etwa mit den Auspeitschungen aufhörten, weil Aldrich ihr Anführer war, sondern weil sie Achtung vor ihm hatten. Hier werden einige Männer zu den Meuterern gezählt, über die ich keine klare Aussage treffen kann, da ich nicht weiß, ob sie überhaupt bewaffnet waren oder sich widersetzt haben. Bates, der Gehilfe des Schiffskochs, war definitiv nicht bewaffnet, tat aber das, was Stuckey sagte. Das mag Bates aber auch nur aus Angst getan haben, da er jung ist und immer sehr scheu war. Ansonsten dürfte die Liste korrekt sein, Sir.«
    »Mr Archer«, fragte Gardner, »war es bei der Mannschaft der Themis zu Unruhen gekommen, bevor Mr Hayden seinen Posten antrat?«
    »Mir ist nicht aufgefallen, dass es unter Mr Haydens Kommando zu einem nennenswerten Stimmungswandel gekommen ist, Sir.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Leutnant. Anders gefragt: Wann genau kam es innerhalb der Mannschaft der Themis zu Unruhen?«
    Archer blickte ein wenig überfordert drein. »Ich habe keine Unruhe gespürt, Sir. Erst in der Nacht der Meuterei.«
    Gardner wirkte gleichermaßen verärgert wie erstaunt. »Mr Archer, ein Seemann wurde ermordet, ein anderer schwer misshandelt. Und jetzt wollen Sie mir weismachen, innerhalb der Mannschaft keine Unruhe wahrgenommen zu haben? Was ist mit den Vorfällen in Plymouth und vor Brest? Hat Sie das nicht aufhorchen lassen?«
    Archer hatte offenbar mit einem trockenen Mund zu kämpfen, als er sagte: »In Plymouth, Sir, begaben sich die Männer sofort auf ihre Posten, als Mr Hayden sich der Sache annahm. Und den Zwischenfall vor Brest habe ich nur für einen Streit zwischen zwei Geschützbedienungen gehalten, die sich eben nicht sonderlich gut verstanden, Sir - mehr nicht. Kapitän Hart ließ später einige von ihnen auspeitschen, und damit hatte es sich meiner Ansicht nach dann.«
    An dieser Stelle wurde er von einem der Kapitäne unterbrochen. »Die Männer, die ausgepeitscht wurden, gehörten sie später zu den Meuterern?«
    »Einige schon, andere nicht.«
    Als keiner mehr Fragen an den etwas verschlossenen Leutnant hatte, durfte sich Archer wieder setzen. Doch es war zu spüren, dass einige Kapitäne des Gremiums mit den Aussagen des jungen Mannes nicht sehr zufrieden waren.
    Als Nächster wurde Mr Barthe aufgerufen. Schwer atmend und rotgesichtig trat er vor. Hayden merkte ihm die Reizbarkeit an. Der Master las seinen ausformulierten Bericht der Geschehnisse in der Nacht der Meuterei vor, mit denen inzwischen alle vertraut waren. Barthe war nicht misshandelt worden, da ihn fast alle an Bord mochten.
    »Mr Barthe, ich muss Sie zunächst nach dem Verschwinden des Logbuchs fragen«, sagte Duncan mit verdrießlicher Miene. »Das sieht nach schwerem Pflichtversäumnis aus. Wie können Sie das erklären?«
    »Das Logbuch wurde aus meiner Kabine gestohlen, Sir, wurde mir aber soeben gebracht, unversehrt.« Bedeutungsvoll hielt der Master besagtes Buch hoch und reichte es dann dem Rechtsoffizier.
    Hayden beobachtete Landrys Mienenspiel, als der Master das Buch stolz präsentierte - einer der wenigen befriedigenden Momente in seiner bisherigen Marinekarriere. Der Zweite Leutnant sank auf seinem Stuhl förmlich in sich zusammen, machte eine hilflose Geste und öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen oder Luft holen. Hart hingegen schien die Tragweite dieser Wendung zunächst nicht zu begreifen. Dann aber traf ihn die Erkenntnis offenbar wie ein Schlag - denn in Mr Barthes Buch würde stehen, wie oft sich der Kommandant geweigert hatte, den Feind anzugreifen. Jede Pflichtvernachlässigung war dort festgehalten. Vielleicht noch schockierender war für diese beiden Offiziere die Erkenntnis, dass offenbar jemand genau gewusst hatte, wo sich das Buch befand. Wenn dieser Umstand vor dem Kriegsgericht bekannt wurde, gab es weder für Landry noch für Hart Rettung. Einen verräterischen Moment lang vermochte Hart nicht den Blick von diesem Buch zu wenden, ganz so, als wolle er jeden Augenblick aufspringen, um es sich zurückzuholen.
    »Mr Barthe«, fragte einer der Kapitäne, »wie kann es sein, dass ein Logbuch - ein Dokument von einzigartiger Bedeutung, wie Sie sehr

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