Unter feindlicher Flagge
bei.«
»Stimmt es, dass Sie alle medizinischen Bücher des Doktors gelesen haben?«
»Ja, Sir. Das war harte Kost, Mr Hayden, aber ich umschiffte all die Kaps der Anatomie und navigierte in den gefährlichen Wassern der Heilkunde und des Aderlasses.«
Hayden lächelte bei den Vergleichen. »So hegen Sie den Wunsch, Assistent des Schiffsarztes zu werden?«
Bei der Frage wirkte Aldrich ein wenig überrascht. »Nein, Sir. Einmal war ich Doktor Griffiths bei einer Amputation behilflich, als sein Assistent krank war - aber das war ein Anblick, den ich so schnell nicht wieder erleben möchte.« Der Mann verzog den Mund.
Hayden musste fast lächeln. »Ja, meine Berufung wäre das auch nicht. Aber Sie könnten Maat des Bootsmanns werden und zweifelsohne eines Tages sogar Bootsmann.«
»Bei allem Respekt, Mr Hayden, aber ich möchte keine Position haben, bei der ich meine Kameraden schlagen oder auspeitschen müsste.« Er hielt inne. »Außerdem habe ich nicht den Wunsch, Gewalt über andere auszuüben. Mr Barthe bot mir einmal an, mich als Maat des Masters vorzuschlagen, aber ich lehnte ab.«
»Alle Menschen sind gleich erschaffen?«
Aldrich nickte zaghaft.
»Da fällt mir dies ein ...« Hayden holte die Pamphlete wieder hervor, die er Augenblicke zuvor versteckt hatte. »Wickham zeigte mir ein paar Bücher, die Sie ihm gegeben haben. Und darunter fanden sich diese Schriften.«
Aldrich sah plötzlich wachsam aus. Sein Mund bildete eine schmale Linie, eine steile Falte zeichnete sich über seiner Nasenwurzel ab.
»Dieser Mann, Thomas Paine, wurde vor Kurzem der aufwieglerischen Verleumdung für schuldig befunden und aus England verbannt. Ich möchte gar nicht wissen, ob diese Bücher Ihr Eigentum sind und wie es dazu kam, dass sie sich plötzlich unter Wickhams Büchern fanden, die von einigen an Bord gelesen werden. Ich habe nur diese Frage: Gehören Sie zu Umstürzlern oder Leuten mit aufrührerischen Absichten gegenüber diesem Schiff und seinen Offizieren?«
Selbst in dem warmen Schein der Lampe sah Aldrich geisterhaft blass aus. Steif stand er auf der Schwelle und blickte einen Moment lang ins Leere, ehe er Hayden in die Augen sah.
»Ich bin kein Meuterer, Sir.«
Hayden war erleichtert. Er sah keinen Grund, diesem Mann nicht zu glauben. Weder Aldrichs Tonfall noch sein ganzes Benehmen gab Anlass zu Zweifeln. »Nein, damit hatte ich auch nicht gerechnet.«
»Aber ich muss Ihnen sagen, Mr Hayden, dass ich der Ansicht bin, dass selbst der niedrigste Matrose das Recht hat, sich zu beschweren, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt.«
Hayden schloss die Augen. »Bitte sagen Sie mir, dass nicht Sie es waren, Aldrich, der diese Petition in Umlauf gebracht hat.«
Aldrich hob den Kopf ein wenig, bis er an die niedrige Decke stieß.
»Ich ziehe die Frage zurück«, fügte Hayden rasch hinzu. »Sie brauchen darauf nicht zu antworten. Ich hoffe jedoch, dass wir diese Krise an Bord überwunden haben und es zu keinen weiteren Schwierigkeiten mehr kommt, wenn wir den Anker ...«
»Ich glaube, es gibt keine Schwierigkeiten, Sir. Die Männer scheinen sich mit der Situation abgefunden zu haben, auch wenn hier und da noch Groll schwelt.«
»Es gibt also im Augenblick keine Bittschrift, die im Umlauf wäre?«
Aldrich zögerte. Ein innerer Widerstreit zeichnete sich auf seinen Zügen ab. »Im Augenblick nicht, Sir«, sagte er leise.
»Aldrich, ich muss Sie warnen: Die Matrosen schätzen Sie sehr, aber wenn Sie den Ideen eines Mr Paine Vorschub leisten oder Petitionen in Umlauf bringen, dann schweben Sie in großer Gefahr. Mehr als nur ein Offizier glaubt, dass Penrith von aufrührerischen Personen an Bord der Themis ermordet wurde. Für ein Pamphlet wie dieses hier könnte ein Mann ausgepeitscht werden, wenn ihm nicht gar Schlimmeres blüht.«
»Ich predige nicht Meuterei, Sir. Sondern nur gesundem Menschenverstand. Unser eigenes Schiff ist doch das beste Beispiel: Sie sind der fähigste Offizier an Bord, aber Sie sind nicht der Kommandant. Wo ist da der Sinn, Sir?«
Hayden hob eine Hand. »Mr Aldrich, ich muss doch sehr bitten! Als Offizier der Royal Navy kann ich derartiges Gerede nicht gutheißen.«
Aldrich deutete eine kurze Verbeugung an. »Es tut mir leid, Sir. Ich habe mich versprochen.«
Einen Moment lang wusste Hayden nicht, was er sagen sollte. »Wenn Sie nicht Bootsmann oder Master werden wollen, was ist dann Ihr Ziel?«
Ein Ausdruck von fast seliger Zufriedenheit trat in das Gesicht des Mannes. »Wenn
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