Unter goldenen Schwingen
wenn meine Beute sich wehrt«, flüsterte er und seine Stimme ließ mir die Haare zu Berge stehen. »Doch du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken.«
»Eher bleibe ich ewig hier stehen, als mich von dir durch meine schlimmsten Ängste schleifen zu lassen«, stieß ich hervor. »Nathaniels Tod, die Überfälle, oder mein Unfall …«
»Du bringst mich auf Ideen«, flüsterte Lazarus. »Doch es wird bald nicht mehr notwendig sein, dir die Hölle in deinen Träumen zu bereiten. Wie ich höre, wird Nathaniel heute Nacht fallen.«
»Das wird er nicht. Tut mir leid, dich zu enttäuschen«, erwiderte ich kalt.
Lazarus‘ glühende Augen musterten mich argwöhnisch. »Wie kannst du dir so sicher sein?«, murmelte er, sein durchdringender Blick auf mich geheftet. »Das bist du tatsächlich … du bist dir sicher … wie kommt das, meine Kleine?«
»Fahr zur Hölle«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor.
Lazarus ließ ein kurzes, kaltes Lachen hören. »Soll ich es aus dir heraus foltern?«, fragte er sanft.
»Ich würde gern sehen, wie du es versuchst«, erwiderte ich. »Du hast keine unbegrenzte Macht mehr über mich.«
Er blieb wie versteinert am Fuß der Stufen stehen und legte den Kopf schief. »Du meinst, wegen dem Anker an deinem Hals?«
Unwillkürlich fuhr meine Hand zu dem Kristallstift.
Lazarus lachte kalt. »Ich wusste die ganze Zeit, dass du ihn trägst. Wer hat ihn dir gegeben?«
»Das ist unwichtig«, sagte ich mit fester Stimme. »Du kannst nicht mehr über mich bestimmen, wie es dir gefällt. Wie fühlt sich das an?«
Das Lachen auf Lazarus‘ Gesicht erstarb und wurde zu einer verzerrten Grimasse. Seine glühenden Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
»Sieht aus, als hätte ich endlich deine Aufmerksamkeit«, sagte ich mit all der Stärke in der Stimme, die ich aufbringen konnte. »Ich habe dir einen Handel vorzuschlagen.«
Die Grimasse auf Lazarus‘ Gesicht löste sich auf. Er musterte mich ungläubig.
»Ich habe dich unterschätzt«, sagte er langsam. Dann erschien ein widerliches Grinsen auf seinen Lippen. »Schlag deinen Handel vor, Victoria.«
»Ich will dein Wort, dass du den Schild aufrechterhältst«, sagte ich.
Lazarus blickte mich an, mit einer Mischung aus Belustigung und Hohn. »Ich soll den Schild aufrechterhalten, der Nathaniel schützt? Und was bietest du mir als Gegenleistung?«
Mit verkrampftem Körper trat ich einen winzigen Schritt vorwärts. Lazarus machte fauchend einen Satz auf mich zu, doch ich drückte mich rasch wieder an die Kirchentore. Der Dämon tigerte vor den Stufen auf und ab, seinen Blick auf mich geheftet.
»Wie rührend«, zischte er. »Du bietest dich selbst an?«
»Nimm es an, oder lass es«, flüsterte ich.
Mit einem grausamen Lächeln auf seinen Lippen, betrachtete er mich von Kopf bis Fuß, und ich hasste es seinen Blick auf mir zu spüren.
»Einverstanden«, flüsterte er sanft.
»Ich habe dein Wort?«
»Du hast mein Wort.« Er nickte, mit der spöttischen Andeutung einer Verbeugung.
Ich biss die Zähne zusammen und machte einen vorsichtigen Schritt fort von der Kirchentür. Lazarus stand am Fuß der Treppen mit einem triumphierenden Ausdruck in seinem Gesicht.
Ich stieg zögernd die erste Stufe hinunter.
Nichts geschah.
Die nächste Stufe. Und die Nächste.
Lazarus erwartete mich mit einem widerlichen Lächeln. Er genoss es, wie ich mich dazu zwang, eine Stufe nach der anderen zu ihm hinunterzusteigen.
Dann streckte er den Arm aus und bot mir mit einer galanten Bewegung seine Hand. Mit all der Abscheu, die ich aufbringen konnte, starrte ich ihn an, hob mein Kinn und ergriff seine Hand. Von seinem triumphierenden Lächeln wurde mir übel.
Und dann zerriss das Bild.
Im nächsten Augenblick befand ich mich in dem blauen VW. Meine Hände waren schweißnass um das Lenkrad geklammert, ich hatte Tränen in den Augen und fühlte mich so elend wie noch nie in meinem Leben. Der süßliche Gestank drehte mir den Magen um.
Ich blickte mich um – und mir blieb fast das Herz stehen.
Das Auto war voller Inferni. Sie drängten sich auf dem Beifahrersitz und auf der Rückbank und flüsterten mir schreckliche Dinge zu. Ich verriss das Lenkrad und der Wagen schleuderte über die nasse Fahrbahn. Die Friedhofsmauer raste mir entgegen, die Inferni kreischten, ich riss verzweifelt am Lenkrad und trat wild auf die Pedale.
Plötzlich war es Lazarus, der auf dem Beifahrersitz saß, und während das Auto über die Böschung schoss, starrte ich für
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