Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
gesehen. Ich war auf seiner Geburtstagsfeier und hatte mich im Haus verirrt, als mir plötzlich dieser Mann gegenüberstand.«
Ihre Knie waren so weich wie Gummi und sie musste sich hinsetzen. Nick kniete neben ihr nieder und blickte sie besorgt an.
»... ich folgte ihm, die Tür von der Bibliothek war nicht richtig geschlossen, und da hörte ich ... ich ... ich hörte, wie dieser Mann zu Sergio sagte: › Alles erledigt. David Zuckerman wird nichts mehr aussagen .‹ Verstehen Sie, Nick, dieser Mann hat David Zuckerman erschossen und nun wollte er Sie töten!«
»Sind Sie sicher, dass es derselbe Mann war?«, Nick sah sie prüfend an.
»Ja, ja natürlich«, sie nickte heftig, »ich werde sein Gesicht niemals vergessen. Er ist einer von Vitalis Killern. Oh Gott, es ist entsetzlich!«
Sie konnte es nicht verhindern, dass ihr die Tränen über das Gesicht strömten, und diesmal war es Nick, der sie tröstete.
»Kommen Sie, Alex«, er ergriff ihre Hand und zog sie sanft hoch, »lassen Sie uns hier verschwinden.«
»Und wenn er es noch mal versucht?«
»Das wird er nicht«, Nick war über seine eigene Kaltblütigkeit erstaunt. Alex’ Panik hatte ihn ernüchtert und plötzlich konnte er wieder so klar denken, wie seit Monaten nicht mehr. Noch heute Morgen wäre er am liebsten tot gewesen, nur um diesen Schmerz und die entsetzlichen Schuldgefühle nicht mehr ertragen zu müssen. Er hatte geglaubt, er würde niemals mehr irgendetwas anderes als dies empfinden können, doch da hatte er sich geirrt. Eben hatte er deutlich ein Gefühl der Angst verspürt und nun sorgte er sich um Alex, die ihm gerade das Leben gerettet und ihres dabei riskiert hatte. Sie betraten die Kirche des Klosters durch eine versteckte Seitentür, aber Alex fühlte sich selbst hinter den dicken Mauern nicht mehr sicher. Immer wieder blickte sie zurück und erwartete fast, den Mann mit dem Gewehr auftauchen zu sehen. Nick hielt ihre Hand fest,während Alex wie in Trance neben ihm her ging. Sie verließen die Kirche und bogen in einen Kreuzgang ein, in dessen Mitte sich ein grünes Rasenviereck befand. Nick kannte sich im Gewirr der Gänge und Flure erstaunlich gut aus. Nach einem beinahe zehnminütigen Marsch befanden sie sich im 2. Stock des festungsähnlichen Klostergebäudes. Er hielt vor einer Tür an und klopfte.
»Herein!«, rief jemand und Nick öffnete die Tür. Der hohe, weiß gekalkte Raum mit den dunklen Eichenbalken an der Decke war schlicht eingerichtet. Außer einem wuchtigen Schreibtischaus dunklem Holz gab es nur Bücherregale, die bis unter die Decke reichten, und der einzige Wandschmuck waren ein Holzkreuz und ein gerahmtes Foto von Papst Johannes Paul II. Am Schreibtisch saß ein schlanker weißhaariger Jesuitenpater, der erstaunt aufblickte, als Alex und Nick sein Büro betraten.
»Nick!«, rief der Pater und ein herzliches Lächeln flog über sein Gesicht. »Wie schön, dich zu sehen!«
»Hallo, Pater«, erwiderte Nick.
»Wie geht es dir?« Der Pater nahm Nicks Hände in seine und sah ihn voller Zuneigung an. Alex stellte fest, dass er älter sein musste, als es auf den ersten Blick den Anschein machte, aber noch nie hatte sie so gütige und weise Augen, wie die des Jesuitenpaters, gesehen.
»Es geht mir besser«, erwiderte Nick, »danke.«
»Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
»Ja. Es ist schwer, aber ich werde es schaffen.«
»Du bist immer in unseren Gebeten.«
»Ich weiß. Danke.«
Dann erst schien er sich daran zu erinnern, dass er nicht alleine war.
»Pater, ich möchte Ihnen Mrs Sontheim vorstellen«, sagte er nun. »Sie ist eine Freundin von ... Mary und mir. Alex, das ist Pater Kevin O’Shaughnessy.«
»Guten Tag«, Pater Kevin reichte Alex die Hand, sein kräftiger Händedruck überraschte sie.
»Pater Kevin ist ein alter Freund von mir«, erklärte Nick. »Als Junge war ich Messdiener in dieser Kirche.«
»Nehmt doch Platz«, bot der Jesuit an. Alex, deren Knie noch immer weich wie Butter waren, lächelte dankbar und setzte sich auf einen der schlichten Holzstühle, der so unbequem war, wie er aussah.
»Man hat eben auf dem Friedhof auf mich geschossen«, sagte Nick nun und der Pater erbleichte.
» Geschossen? Auf unserem Friedhof?« Er machte ein Kreuzzeichen. Nick erzählte ihm erst mit knappen Worten, was vorgefallen war, bevor er zum Telefon griff und eine Nummer wählte. Alex, die noch immer am ganzen Körper zitterte, stellte fest, dass seine Stimme fest und energisch klang, fast so,
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