Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Staatsanwalt warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Nick«, sagte er dann, »würdest du das bitte erklären?«
Nick räusperte sich und richtete sich auf. Er hatte bisher noch kein Wort gesagt, aber er hatte die Reaktionen von Engels und Jenkins beobachtet. Tate Jenkins war schwer einzuschätzen, wie die meisten FBI-Leute. Sein Gesicht war unbeweglich geblieben, und Nick wusste, dass es ihm gelingen musste, Jenkins von der Dringlichkeit der Angelegenheit zu überzeugen. Vor allen Dingen musste der stellvertretende Direktor des FBI begreifen, wie gefährlich Vitali war. Mit kurzen Worten berichtete er, weshalb er starke Zweifel daran hatte, dass Alex Sontheim den Mord an St. John begangen hatte. Er wiederholte in komprimierter Form das, was Justin Savier ihnen in der vergangenen Nacht erzählt hatte, und schließlich erwähnte er seinen Verdacht, dass Vitali im Juli des Jahres in Wahrheit von kolumbianischen Drogendealern niedergeschossen worden war.
»Woher wissen Sie das alles, Nick?«, fragte Engels erstaunt.
»Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Vitali«, entgegnete Nick, »und ich selbst habe ihn schon ein Dutzend Mal wegen verschiedener Straftaten angeklagt. Jedes Mal ist es ihm gelungen, sich herauszuwinden, obwohl er mit Sicherheit schuldig war. Ich kenne ihn, ich kenne seine Methoden und seine Geschäfte. Im Juli war ich mir dann sicher, Vitali endlich in die Finger zu bekommen. In der gleichen Nacht, als auf ihn geschossenwurde, hat man seinen Sohn bei einer illegalen Entmietungsaktion in der Bronx verhaftet. Als ich davon hörte, fuhr ich sofort hin, und zu meiner Überraschung war auch schon Mr de Lancie da, der sonst eher für seine Vorliebe für Schreibtischarbeit bekannt ist. Er benahm sich äußerst merkwürdig für einen Staatsanwalt und ich fragte ihn, auf welcher Seite des Gesetzes er denn eigentlich stehe. Cesare Vitali wurde erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Am nächsten Tag tauchte ein mysteriöser Erpresser auf, der Lebensmittel mit Milzbranderregern verseuchen wollte, außerdem stellte sich der Mann, der angeblich auf Vitali geschossen haben sollte, der Polizei und war sofort geständig. Diese beiden Meldungen verdrängten die Schüsse auf Vitali aus den Schlagzeilen. Es war ein klassisches Ablenkungsmanöver und es hätte fast geklappt, hätte ich meine Vermutungen nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt. Ich war mir so sicher und habe in meiner Begeisterung außer Acht gelassen, wie rücksichtslos und gefährlich dieser Mann ist.«
Nick machte eine Pause und fuhr dann mit leiser Stimme fort.
»Wie nah ich der Wahrheit gekommen war, musste ich dann auf eine sehr schmerzliche Weise erfahren.«
»Wieso?«, fragte Jenkins. Nick sah den stellvertretenden Direktor des FBI kurz an, bevor er antwortete.
»Vitali ließ ein Bombenattentat auf mich verüben, bei dem meine Familie ums Leben kam.«
»Oh, ja, entschuldigen Sie bitte«, Jenkins schien für einen Augenblick tatsächlich etwas betreten zu sein, »ich habe natürlich davon gehört.«
»Es wurde niemals Anklage erhoben«, mischte sich Gordon Engels ein, »weshalb sind Sie so sicher, dass es Vitali war, der das Attentat verüben ließ?«
»Einer meiner engsten Mitarbeiter stand auch auf Vitalis Gehaltsliste«, Nick zuckte die Schultern, »Raymond Howard informierte ihn über alles, was hier besprochen wurde. Er kam bei dem Bombenanschlag ebenfalls ums Leben.«
»Aber ...«, begann Tate Jenkins.
»Howard hat mir selbst gesagt, wer hinter dem Anschlag steckte«, mischte sich nun Frank Cohen ein, der den gequälten Gesichtsausdruck seines Chefs kaum mehr ertragen konnte,
»kurz bevor er starb, sagte er mir, dass Vitali den Anschlag befohlen hatte.«
»Was genau hat er gesagt?«, forschte Jenkins nach.
»Er sagte«, Frank holte tief Luft und ihn schauderte bei der Erinnerung, »dass Vitali Mr. Kostidis töten wollte.«
Die Männer, die um den Konferenztisch herumsaßen, schwiegen betroffen.
»Wieso hast du das nie gesagt, Nick?«, fragte Lloyd Connors.
»Weil es meine Familie nicht mehr lebendig gemacht hätte«, erwiderte Nick, »als Frank es mir erzählte, war Ray längst tot. Es gab keinen Zeugen, Vitali wäre wieder einmal ungeschoren davongekommen. Ich hatte keine Kraft, um so etwas durchzustehen.«
»Hat Mrs Sontheim etwas davon gewusst?«
»Nein«, Nick schüttelte den Kopf, »das glaube ich nicht.«
»Weshalb kam sie ausgerechnet mit diesen Informationen zu Ihnen?«
Nick antwortete nicht sofort. Er erinnerte sich
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