Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
ein mittelguter Anwalt würde ihn aus dieser Sache herausholen können. Zum Teil waren Straftatbestände lange verjährt und eine Video-Aussage würde vor Gericht für eine Verurteilung womöglich nicht ausreichen. Das sagte Nick auch, worauf Connors nur die Schultern zuckte.
»Wir können Vitali jetzt aber ganz andere Fragen stellen.« Seine Augen glänzten vor Begeisterung wie die eines Jagdhundes, der die Beute in greifbarer Nähe sieht.
»Ja«, seufzte Nick, »vielleicht. All das habe ich schon früher gewusst. Nur wollte das niemand wissen.«
»Du hast es geahnt «, verbesserte Connors, »jetzt haben wir Beweise!«
»Großartig. Du hast die Videoaussage eines Toten. Natürlich kannst du dadurch einiges belegen, was bisher als ungelöst galt. Vielleicht findest du jemanden, der sich bereit erklärt, als Zeuge vor Gericht gegen Vitali auszusagen, aber ...« Nick verstummte.
»Aber? Aber was?« Lloyd starrte ihn an. »Ich hatte gedacht, du wärst begeistert!«
»Lloyd«, Nicks Stimme klang gequält, »ich habe Monate, wenn nicht sogar Jahre meines Lebens damit verbracht, diesem Scheißkerl hinterherzujagen. Ich weiß, dass ich insgeheim dafür verspottet wurde, und die Leute, die über mich gelacht haben, kriegen das nun alles auf dem Silbertablett serviert. Nimm es mir nicht übel, dass ich deine Begeisterung nicht recht teilen kann. Dieser Mann hat mein Leben zerstört. Nicht nur, dass er meine Frau und meinen Sohn getötet hat, er hat mir Zeit gestohlen. Zeit, die ich mit Mary und Chris hätte verbringen können.«
Lloyd Connors sah Nick betroffen an.
»Wir werden Vitali diesmal ein für alle Mal das Handwerk legen. Wir werden ihn für all das, was er getan hat, zur Rechenschaft ziehen.«
Nick verspürte für einen Moment fast so etwas wie Neid auf den ungetrübten Optimismus des jüngeren Mannes, auf dessen Enthusiasmus und die Begeisterung, die feste Überzeugung, das Ziel zu erreichen. So wie Lloyd Connors war er selbst auch einmal gewesen, aber das schien eine Ewigkeit her zu sein. Nick seufzte wieder. Er war so müde, so schrecklich müde. Es war nichts mehr übrig von seiner Kraft und seinem Elan und es war Vitali, der ihm alle Illusionen, alle Überzeugungen und den Glauben an Recht und Ordnung geraubt hatte.
»Ich wünsche es euch«, sagte er und erhob sich, »ich wünsche wirklich, dass es euch gelingt.«
»Es ist dein Erfolg, Nick«, sagte Lloyd Connors und legte ihm die Hand auf die Schulter, »du hast uns dazu verholfen.«
»Nein«, Nick schüttelte den Kopf, »das ist nicht mehr meine Angelegenheit. Es ist nicht mein Erfolg, wenn es einer werden sollte, sondern allein deiner.«
»Du musst doch Genugtuung empfinden, wenn ...«
»Genugtuung?« Nick blickte den jüngeren Mann nachdenklich an. »Nein. Ich empfinde überhaupt nichts. Da ist nur noch Leere. Was nützt es mir, wenn Vitali vor Gericht kommt und vielleicht sogar verurteilt wird? Dadurch wird niemand mehr lebendig.«
Montag, 6. Dezember – Büro der
Staatsanwaltschaft Manhattan
»Bevor ich Mrs Sontheim Straffreiheit zusichern kann, will ich mit ihr sprechen!« Die Stimme von Tate Jenkins drang aus dem Lautsprecher des Telefons. Nick und Connors wechselten einen kurzen Blick.
»Mr Jenkins«, sagte Nick mit wachsender Ungeduld, »sie rief mich gestern Morgen an. Sie wird nicht zurückkommen, wenn sie befürchten muss, dass man sie verhaften und unter Mordanklage stellen wird.«
»Niemand wird sie verhaften, das habe ich Ihnen zugesagt. Aber ich werde keine Amnestie gewähren, bevor ich nicht persönlich von der Unschuld dieser Frau überzeugt bin«, Jenkins Stimme klang ungeduldig, »das verstehen Sie doch, Mr Kostidis! Es besteht ja nicht nur der Vorwurf des Mordes! Vergessen Sie nicht, dass sie Geld unterschlagen hat. Richten Sie ihr aus, dass sie sich mit mir in Verbindung setzen soll. Je eher, desto besser.«
»Gut«, Nick zuckte die Schultern.
»Und noch eins, Mr Kostidis«, sagte der stellvertretende Direktor des FBI, »wir haben auf Grand Cayman eine Menge belastendes Material beschlagnahmen können. Zusammen mit den Schuldanerkenntnissen der bestochenen Männer könnte das ausreichen.«
»Wofür ausreichen? Was meinen Sie damit?«
»Ich meine damit, dass Mrs Sontheim nicht zu hoch pokern sollte. Wenn sie noch länger wartet, könnte es sein, dass ihre Aussage für uns nicht mehr wichtig sein wird. In diesem Fall bestünde für mich auch überhaupt keine Veranlassung mehr, den Haftbefehl aufzuheben, denn dann ist
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