Unter Korsaren verschollen
müßte Schluß, endgültig Schluß gemacht werden mit der Seeräuberei, mit der Sklaverei, mit der Deyherrschaft, die nichts anderes will als die Menschen knechten, um nur ein paar dieser
,müßte’ aufzuzählen, die uns besonders angehen.«
»Das wollte ich ja auch sagen. Wir sollen den Kopf hinhalten, die Kaufleute ihr Vermögen aufs Spiel setzen, und die, die die Macht haben, bleiben untätig.«
Das ist das Stichwort für den Fischer. »Dabei sind sie zuletzt nicht minder geschädigt als wir alle. Sie würden ebenfalls nicht schlecht fahren, wenn unsere Schiffe unbehelligt das Meer kreuzen könnten.«
»Deshalb sollte man es ihnen handgreiflich machen, ihnen ins Gesicht sagen«, spinnt der Seemann seinen Gedanken weiter.
»Die würden dir schön heimleuchten, wenn du Forderungen stelltest!« Ein bisher an der Unterhaltung Unbeteiligter macht diese Feststellung, der die anderen durch Kopfnicken beipflichten.
Der Seemann ist gereizt. Seine Faust schlägt auf den Tisch, daß der Wein aus den Bechern hüpft.
»Wäre es denn keine gerechte Forderung: Freiheit des Meeres, Sicherheit von Leben und Gut, Abschaffung der unmenschlichen Sklaverei?« braust er auf.
Alles blickt auf einmal herüber zu dem Tisch.
»Ein heiliger Zorn müßte die Menschen befallen. Wir sind Italiener -Genuesen, keine Algerier. Den Dey geht es einen Dreck an, was wir tun und treiben, wie wir uns den Lebensunterhalt verdienen, mit wem und welchen Ländern wir handeln. Er hat sich nicht in unsere Sachen zu mischen. Er nicht, und auch kein anderer; denn keiner hat das Recht dazu.«
»Bravo, bravo!« unterstützen manche die Worte des Wütenden. Andere verdrücken sich still aus der Schenke.
Das sind verdammt aufrührerische Reden, die der Mann da führt. Es ist besser, nichts davon gehört zu haben, wenn es zu einem peinlichen Zwischenfall kommen sollte. Die Sbirren sind scharf hinter den Karbonari und anderen Geheimbündlern her.
Man stellt den Seemann einem »guten Vetter« gleich, der er gar nicht ist. Er spricht lediglich als Mensch, ohne einer politischen Gesellschaft anzugehören.
»Du hast ohne Zweifel recht«, bestätigt der Gevatter Fischer.
»Aber was soll geschehen?« fragt der Fischhändler. Der Seemann fühlt sich angesprochen, obwohl die Frage an alle gerichtet war.
»Weiß ich es? – Wenn mal einer käme und zu mir sagte: ,He, Kamerad, wie wär’s, wenn wir zusammen, ohne König und Militär, auf eigene Faust die Korsaren be-kämpften?’ – Ich ginge sofort mit.«
Man sieht es ihm an, daß seine Worte nicht blindlings hingeworfen sind. Er meint es ernst. Zu viele Male hat er das Meer in Hangen und Bangen gekreuzt. So ist er nun bereit, um diesem unnatürlichen Zustand ein Ende zu bereiten, alles auf eine Karte zu setzen.
»Sehr schön, lieber Freund! Nur wird es wohl bei dieser Bereitwilligkeit bleiben«, stellt der Fischer achselzuk-kend fest. »Möglich, aber man kann nicht wissen…«
Seit einigen Tagen bekommt man Gravelli nicht mehr zu Gesicht. Ob er verreist ist? fragen sich die Kaufleute.
Niemand kann ihnen eine Antwort darauf geben. Der Sekretär schweigt. Wahrscheinlich arbeitet der Bankier irgendwo an einem großen Geschäft, das seine Anwesenheit erfordert. Mag es sein, wie es will. Man hat Gelder von ihm geliehen bekommen, mit denen man ansehnliche Gewinne machen kann. Man wird sie nur so lange behalten, wie es unbedingt nötig ist; denn der hab-gierige Gravelli verlangt ungeheure Zinsen, ganz besonders hohe von ihnen, den kleinen Leuten, da er ihnen nicht traut, zwar nicht an ihrer Ehrlichkeit zweifelt, aber an ihrem kaufmännischen Geschick.
Der große Finanzmann ist krank, schwer krank. Ner-venfieber. Das »Unten«, von dem sich sein Geist nicht befreien konnte, hat furchtbar gewirkt. Bis in die Träume hat es ihn verfolgt. Nachts ist er angstschweißgebadet aufgeschreckt. Alle Mittel blieben erfolglos; eines Tages konnte er nicht mehr.
Der Sekretär führt jetzt die Geschäfte. Manchmal möchte er lieber tausend Meilen von Genua entfernt sein, wenn er daran denkt, welche Verantwortung auf seinen Schultern liegt. Er ist ein ehrlicher, gerader Mensch, strebsam, tüchtig, immer bereit, seine eigenen Wünsche zurückzustellen, wenn es gilt, der Firma einen Dienst zu erweisen. Er weiß nicht, welche Gründe den Herrn bewogen haben, so bedeutende Summen bereitzu-stellen, nimmt an, daß alles in Ordnung ist. Daß es so bleibt, darüber wacht er mit Argusaugen.
Es treten keine Verluste ein.
Als der
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