Unter Korsaren verschollen
den harten Mann.
Weiter, weiter!
Erst Tage später, nach stürmischen Ritten, schlägt das wunde Herz wieder gleichmäßig, ist El-Fransi der ruhige, besonnene Jäger, der eine Aufgabe erfüllt: den Sohn sucht.
Am Rande der Wüste flattert 1817 den beiden Männern eine Nachrächt zu, die sie aufhorchen läßt.
Omar Pascha ist beseitigt. Die eigenen Leute haben diesen in seiner Sache mutigen und entschlossenen Dey, der nicht einmal durch die Engländer besiegt werden konnte, zu Fall gebracht. Janitscharen, das eigene türkische Militär, drang in den Palast ein, überwältigte den großen, mächtigen Herrn. Gefesselt, mit Peitschenhieben zur Eile angetrieben, zerrte man ihn auf den Marktplatz seiner Stadt Algier und erdrosselte ihn. Wenige seiner Vorgänger auf dem Thron Algiers haben anders geendet.
Der Dey ist tot! Es lebe der Dey! Ali-Kodscha Pascha, der neue Dey, lebe!
Ein neuer Mann. Wird er dieselben Wege gehen wie Omar Pascha? Besser oder schlimmer sein als der Tote?
Noch ist das Blatt Ali-Kodscha Pascha unbeschrieben für Luigi Parvisi und Selim. Vorerst steht über dem neuen Kapitel in der Geschichte der Deys von Algier, der Sklavenhalter, Seeräuber, Tyrannen, Verräter, Allein-herrscher, nur der Name. Die Zeit wird die Taten dieses Mannes in goldenen oder blutigen Lettern eintragen. -
»El-Fransi? Du bist El-Fransi! Kommst du mit in unser Dorf?« Der Junge strahlt, als er den Namen des Fremden hört. Das also ist der berühmte Jäger. Etwas Angst schwingt in seiner Stimme, Angst, daß El-Fransi an seinem Dorf vorüberziehen könnte.
»Willst du mich führen?« fragt lächelnd Parvisi.
»Gern. Komm!«
»Wie darf ich dich nennen, mein Freund?« Der frische, stramme Kerl gefällt Luigi.
»Ali.«
»Dann los, führe uns, Ali!«
Aufregung im Dorf. »El-Fransi ist da!« So eilt die freudige Kunde von Hütte zu Hütte. Der Mann, der allen Berbern und Arabern ein Freund und Helfer ist, das Vorbild des kleinen, mutigen Omar, hat wieder einmal den Weg zum Djebel Uannaseris gefunden.
Die Jugend fordert den Gast für sich. Das ist ein Fragen und Bitten um ihn. Luigi freut sich über die Begeisterung der Jungen.
Lächelnd beobachten die Alten, die dem Gast bereits vor Jahren gegenüberstanden, das Treiben. Hm, auch an El-Fransi ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen.
Kein Wunder. Der stete Kampf mit gefährlichem Raub-zeug, das dauernde Gespanntsein, wann wird der Panther, der Löwe zum Sprung ansetzen… den Tod immer vor Augen, wissend, daß ein kleines Zögern das Ende bedeuten kann, das Umherziehen bei jeder Witterung –
das alles verändert das Antlitz des Menschen. An El-Fransi kann man es besonders gut erkennen; er hat sich verändert.
Und noch etwas fällt den Menschen auf: El-Fransi kümmert sich wohl nach wie vor um die täglichen Sorgen der Eingeborenen, darüber hinaus aber spricht er mit ihnen über ihr Verhältnis zu den Türken. Er tut es jedoch so vorsichtig, gibt sich nicht als Feind der Fremden. Er, der kein Araber oder Berber oder Neger ist, ist eben auch ein Fremder.
Niemals sagt er: »Ergreift die Waffen, befreit euch von dem Druck, der auf euch liegt.« Nein, er sagt es nicht, führt nur die Gedanken seiner Freunde und Bewunderer dorthin. Die Entscheidung müssen sie selbst treffen.
Ali hat sich den Platz zur Rechten des Jägers erkämpft.
Wer brachte El-Fransi ins Dorf? Er. Also gebührt ihm der Ehrenplatz. Das sehen die anderen schließlich ein, wenn sie auch nicht frei von Neid sind. Links sitzt Selim. Die Bewohner des Dorfes lassen nicht zu, daß der nicht minder bekannte und beliebte Begleiter des großen Jägers bei ihnen Diener des Herrn ist. Um nichts soll sich der Neger kümmern. Die Tiere werden von ihnen versorgt, eine Hütte steht für die Gäste bereit, für Essen und Trinken wird gesorgt.
Ein kleiner Spalt bleibt zwischen Luigi und Selim.
Schmal ist der Zwischenraum, doch nicht eng genug, daß nicht noch einer dazwischenginge: Achmed. Lä-
chelnd rückt der große Neger etwas zur Seite, als er die bittenden Augen seines kleinen Bruders sieht. Er legt den Arm um den Jungen, der sich, wie jetzt alle, mäu-schenstill verhält, denn El-Fransi erzählt. Luigi darf nicht aufhören. Es ist ein Festtag heute, ein großes Ereignis für das junge Volk. Auskosten bis zur Neige, so denken alle.
»Mein Freund Omar wollte auch so ein berühmter Jäger werden wie du«, wirft einmal Ali ein. Er beugt sich etwas vor. »Nicht wahr, Achmed?«
»Ja, das wollte er«,
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