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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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diesmal zuerst als Freund.
    De la Vigne hat das Gespräch wieder so gelenkt, daß er zu Parvisis Bemerkung von keiner anderen Anweisung des Lords kommt.
    »Was meinten Sie damit?« fragt er den Hausherrn nochmals.
    »Nichts, Roger. Ich werde mich hüten, irgendeiner europäischen Macht den Vorwurf der Halbheit aus eigen-nützigen Gründen zu machen.«
    Ein Pfiff entschlüpft dem jungen Franzosen. Leise, kurz. Verlegen räuspert er sich laut, um die Männer ab-zulenken. Daß es ihm nicht gelungen ist, kann er sofort den Mienen des Kaufmanns und des Barons entnehmen.
    Man hat sich verstanden, ohne etwas Greifbares gesagt zu haben.
    »Sie und alle Bewohner Genuas werden sich wundern, daß die Freudenbotschaft vom Fall Algiers nur zum Teil richtig ist«, fährt er fort. »Ich denke mir die Sache so.
    Die Lage des Deys war derartig schwierig geworden, dass kein Zweifel an einem vollständigen Sieg der vereinigten Flotte bestand. Irgendwer hat diese ungeheure Nachricht schon vor Beendigung der kriegerischen Handlungen nach Europa gebracht. Sie mag durch Feu-ersignale von Land zu Land geeilt sein, ich weiß es nicht. Keiner hat daran gedacht, daß man die Türkenherrschaft auch weiterhin dulden werde. Auch wir in La Calle waren der festen Überzeugung, daß eine Umwälzung eintreten werde. Es war ein Irrtum. Omar Pascha ist nach wie vor der Beherrscher Algeriens. Man beginnt die Festungswerke auszubessern, die Stadt aufzubauen, weiter so zu handeln, wie es in der Vergangenheit war.
    Ich werde nicht überrascht sein, wenn in nächster Zukunft das Mittelmeer genau so unsicher ist wie vordem.«
    »Und die Sklaverei?«
    »Schon mancher Vertrag ist von den Deys nicht ein-gehalten worden. Hier ist eine Abschrift der Bedingungen, die der Türke anerkannt hat.« Parvisi studiert sie eingehend. Der Artikel I verbietet auf immer die Sklaverei. Das ist gut. Das ja, auch manches andere. Aber der britische Admiral hat nichts für die Freiheit des Meeres getan. Die Seeräuberei ist nicht verboten. Kein Wort steht davon in dem Vertrag.
    Parvisi gibt das Schriftstück zu Tomasini. Der liest es.
    Beginnt nochmals, ein drittes Mal. Plötzlich stutzt er.
    Fängt wieder von vorn an. Andrea und Roger warten gespannt. Was gibt es denn, das den Baron so auf das Papier starren läßt.
    Ein Wort ist dem Herrn der Berge aufgefallen, über das er die ersten Male hinweggelesen hatte. Es heißt im Artikel II: Die Freilassung aller Sklaven, die gegenwärtig unter der Botmäßigkeit des Deys stehen… Gegenwärtig.
    Dieses Wort hat nur Sinn und Zweck, wenn der Türke sich an den Artikel I hält.
    »Hören Sie, Herr de la Vigne, höre, Andrea!« fordert er die beiden zu besonderer Aufmerksamkeit auf.
    Weder der Franzose noch der Genuese finden etwas an dem ersten und zweiten Artikel.
    »Ich verstehe nicht, wohinaus Sie wollen, Herr Baron.
    Geben Sie einen Fingerzeig«, bittet de la Vigne.
    Jetzt wird das Wort »gegenwärtig« scharf betont.
    »Hat man etwa damit gerechnet, daß der Dey sich nicht an die Abmachungen hält; wollte man ihm sogar zu verstehen geben, daß er zukünftig frisch und munter weiter-rauben darf?« Roger wagt es nicht, diese Betrachtungen anders als leise vorzubringen. Zu unsinnig erscheinen sie ihm.«
    »Genau das gleiche meine ich. Mir will scheinen, daß es besser gewesen wäre, das gegenwärtig’ wegzulassen.
    Es engt ein und läßt auf der anderen Seite freie Hand.
    Das wichtigste wird für den englischen Admiral gewesen sein, Genugtuung für das dem britischen Konsul angetane Unrecht zu erlangen. Daß man damit auch eine Kleinigkeit für die Menschheit erreichte, ist schön und lobenswert und wird Europa England zu Dank verpflichten. Ich bin gespannt, ob die Zukunft diese Annahme bestätigt.«
    »Meine Herren! Ich bitte um einige Minuten Aufmerksamkeit für eine Nachricht, die ich soeben mit dem ausdrücklichen Auftrag von Signore Parvisi, sie Ihnen unverzüglich mitzuteilen, erhalten habe.«
    »Ruhe!« – »Still doch!« – »Parvisis Geschäftsführer will etwas bekanntgeben. Ruhe! – Ruhe!« schwirrt es von Gruppe zu Gruppe. »Er beginnt!«
    »Signore Parvisi läßt Ihnen sagen, daß die Herrschaft des Deys nicht gebrochen ist.«
    »Hört, hört!« – »Still!« – »Mund halten!« – »Verflucht!« – »Um Gottes willen!« – Von überall flattern Worte, Enttäuschungen, Verwünschungen auf.
    »Algier ist schwer beschossen worden, seine Festungswerke sind zum großen Teil zerstört, aber man hat Omar Pascha nicht

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