Unter Korsaren verschollen
einmal aufgeklungen war.
Oder mehr? Was soll das? Verbirgt sich hinter der Jagdleidenschaft El-Fransis etwas? Ist die Jagd nur Deckmantel für Verbotenes? Ein Franzose durchstreift jahraus, jahrein die Regentschaft. Ein Angehöriger des Volkes, das unter seinem Kaiser Napoleon die Weltherr-schaft anstrebte. Er, Mustapha-Benelli, hatte immer be-fürchtet, daß Frankreich einmal die Hand nach Nordafrika ausstrecken werde. Warum es nicht geschah, weiß er nicht. Eins aber ist gewiß, daß dieser Staat der einzige gewesen wäre, der der Deyherrschaft wirklich hätte ge-fährlich werden können. Sollte dieser Jagdliebhaber eine Sonderaufgabe in Algerien zu erfüllen haben? Ist sie etwa schon erfüllt, und ist es nun nicht mehr nötig, in den Bergen und in der Wüste umherzuschnüffeln?
Wenn die Annahme richtig ist, dann gibt es den zweiten El-Fransi. Wie die beiden Männer zusammengekommen sind, das mag dahingestellt bleiben. Daß sie miteinander bekannt, wahrscheinlich befreundet sind, muß man als Tatsache ansehen.
Und dieser zweite El-Fransi ist Luigi Parvisi, der Vater Livios, der Vater des Korsaren Omar!
Für Benelli ist es Gewißheit, daß dieser Schluß unbedingt richtig sein muß. Doch alles ging zu schnell.
»Laß sehen. Was spricht dafür, was dagegen?« murmelt er vor sich hin. El-Fransi, das heißt der echte, ursprüngliche, ist Franzose; Parvisi Genuese, Italiener. Was haben diese beiden Menschen miteinander zu tun? Was hat sie zusammengeführt? Was verbindet sie vor allen Dingen so tief, daß der eine dem anderen einen berühmten Namen überläßt. Alle Toten sind damals von der »Astra«
ins Meer geworfen worden. Luigi Parvisi war nicht mehr an Bord des Korsaren, als er abgeholt werden sollte.
Demnach war er – wenn in den eben angestellten Überlegungen kein Trugschluß steckt – nicht tot, ist aber so betrachtet worden oder hat sich selbst in die See ge-stürzt. Angenommen, er wurde von einem französischen Schiff aufgefischt und in La Calle abgesetzt. Dort kann er dann die Bekanntschaft El-Fransis gemacht haben.
Der Franzose hat den ihm zu Dank verpflichteten Genuesen für seine Zwecke benutzt, später ihn allein arbeiten lassen, da Parvisis Interessen den seinen genau ent-gegenkamen. Stimmt das, dann wehe Parvisi!
So einfach alles: El-Fransi, der Franzose, ist französischer Spion in Algerien; El-Fransi, der Genuese, führt die Arbeit des anderen fort.
Doch wie es beweisen? setzt er seine Überlegungen fort. Selim ausforschen? Vergebliche Mühe. Nach allem, was über den Neger bekannt ist, wird er wie das Grab schweigen. Aus ihm ist nichts herauszubekommen, was seinem Herrn zum Nachteil werden könnte. Der Schwarze ist schlau, durchschaut vielleicht sofort alles. Auch wenn man es selbst versuchte?
Natürlich, selbst muß man sich mit der Angelegenheit, die plötzlich von so weittragender Bedeutung erscheint, beschäftigen. Halt, nichts übereilen. Zuvor in La Calle Spürer einsetzen. Zum Teufel, daß es nicht längst schon geschehen ist! Es muß doch festzustellen sein, wer die beiden El-Fransis sind. Der eine aller Wahrscheinlichkeit nach Luigi Parvisi, und der andere…? Und noch ein Weiteres: Gravelli fragen, wie lange Parvisi in Genua war. Dann läßt sich feststellen, ob während der Abwesenheit des Italieners El-Fransi in der Regentschaft gesichtet wurde.
Auf jeden Fall muß dieser geheimnisvolle El-Fransi, der soviel Freunde unter den Eingeborenen hat, sei er nun der Genuese oder der Franzose, beseitigt werden.
Omars freimütiges Eingeständnis seiner Dummheit nimmt Benedetto für den Jungen ein. Kein hartes, böses Wort wurde gegen den Kapitän gesagt, weil der Junge eingesehen hat, daß auf einem Raubschiff nur härteste Manneszucht, unverbrüchlicher Gehorsam dazu führen können, die Oberhand gegen die Kauffahrer, die sich oft erbittert wehren, zu behalten.
Nach den früheren Schicksalen Omars fragt der Italiener an diesem Abend nicht mehr. Später wird er einmal verwundert über sich selbst den Kopf schütteln.
Die Erfüllung der Bitte des neuen Leidensgenossen, nun auch von sich zu erzählen, wird für den nächsten Tag versprochen.
Der Gefangene hat sich angewöhnt, viel zu schlafen.
Zur Arbeit holt man ihn nicht mehr. Da in seinem Ge-fängnis keine Möglichkeit zu irgendeiner Beschäftigung besteht, bleiben nur Denken und Grübeln. Beides fürchtet er mehr als den Tod und versucht durch Schlafen auszuweichen.
Omar ist schon lange wach. Er wälzt sich auf dem Lager hin
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