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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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von uns ab. Was mit ihnen geschehen ist, darüber habe ich nichts erfahren können.
    Hoffentlich konnten sie von dem englischen Admiral befreit werden. Tagelang mußten wir, die wir uns kaum auf den Füßen halten konnten, fast ohne Pausen mar-schieren. Bergauf, bergab, durch wüstenähnliches Land…«
    »Die Ebene Metijiah!« wirft Omar ein.
    »Ja. – Flüsse durchquerend, von allen Seiten angetrieben von den begleitenden Arabern. Zwei meiner Kameraden blieben tot zurück. Keiner kümmerte sich mehr um sie, nur die letzten Lumpen wurden ihnen noch vom Leibe gerissen. Die entseelten Körper dienten den Gei-ern und Adlern, oder welches Tier immer seinen Schna-bel oder seine Zähne in sie graben wollte, zum Fraß. So war unsere ohnehin kleine Zahl noch mehr zusammen-geschmolzen. Auf den Rest vereinigten sich die Peitschenhiebe der Reiter, die nicht schnell genug mit uns zu Scheik Osman kommen konnten.
    Im Lager wurden wir zu zweien zusammengeschmiedet. Zwei Stunden nach Mitternacht mußten wir aufstehen. Wer die Stunde verpaßte, nicht durch das Rütteln der Kameraden munter wurde, floh unter den Hieben der Aufseher vom Lager. Wie die Fliegen starben die Menschen, die mit Wasser und ein wenig Mehlbrei leben und schaffen sollten.
    Mein erster Leidensgenosse an der Kette war ein Spanier. Man vermied ängstlich, zwei Landsleute zusam-menzutun, obwohl keine Aussicht auf Flucht bestand.
    Du kennst deine Heimat, weißt selbst, daß es unmöglich ist, allein in diesem Land zu reisen. Es wimmelt von wilden Tieren. Allüberall lauern Gefahren, denen zu entgehen zwei unbewaffneten Sklaven, deren Bewegungen obendrein durch die schwere Kette und die Eisen-gewichte gehindert sind, unmöglich ist.«
    »Und dennoch gibt es zwei Menschen, die diesen Schwierigkeiten kühn ins Auge schauen und von Duar zu Duar, von Ansiedlung zu Ansiedlung ziehen, ohne daß ihnen etwas geschieht!«
    »So? Dann sind es wahrhaft mutige und kluge Menschen.«
    »Hast du noch nie etwas von El-Fransi und seinem Diener Selim gehört?«
    »El-Fransi? Natürlich. Er soll oft hier in der Nähe gewesen sein; dann erschien immer der Oberaufseher bei uns, und wir wurden noch strenger als üblich bewacht.
    Alle fürchteten El-Fransi. Warum, weiß ich nicht.«
    Benedetto spricht nicht die Wahrheit. Die Hoffnung auf Befreiung hatte die Sklaven vermuten lassen, daß der berühmte Jäger den einen oder anderen von ihnen der Macht Osmans entreißen wollte. Wen? Keiner wußte es, jeder hoffte der Glückliche zu sein. Daß der alte Italiener davon nichts erwähnt, auch jetzt nicht, wo das Lager geräumt ist, geschieht aus der hellwachen Vorsicht eines Sklaven heraus, der sich immer von Gefahren umdroht fühlt. Hier würde ein Sprechen nicht für ihn gefährlich werden, aber für El-Fransi, der ein Europäer ist.
    Unter den Wächtern befand sich manch einer, den man zu diesem Dienst gezwungen hatte, der, wenn immer es möglich war, auch einmal etwas vom Treiben und Geschehen außerhalb des engen Kreises des Lagers berichtete.
    Das Schicksal Omars ist ungewiß. Man kann den Jungen noch heute wieder abholen, das Ganze nur als einen Schreckschuß ansehen wollen. Dann wäre es unklug gewesen, ihm zuviel über El-Fransi und seine möglichen Ziele mitgeteilt zu haben.
    »Also, der Spanier«, fährt der Erzähler fort, ohne weiter auf den Jäger einzugehen, »hatte eines Tages einen Knochen gefunden. Mit den geschärften Sinnen eines Menschen, der dem Leben ein Schnippchen schlagen will, gelang es ihm, ohne daß ich es merkte, den Knochen in eine Mauerritze zu stecken und sich nachts daran zu er-hängen. Als ich erwachte, war der Mann schon steif und kalt. Er war der Sklaverei ledig. Damit aber mußte allgemeiner Gepflogenheit nach auch unter mein Leben der Schlußstrich gezogen sein. Ich hatte in diesem Augenblick mit allem abgeschlossen. Was konnte mir auch die Zukunft anderes bringen als Furcht und Schrecken und unendliche Mühsale und Qualen. Angehörige habe ich nicht in der Heimat. Allein an meinem unglücklichen jungen Herrn, der gütigen, lieben Frau und vor allem an dem Kind habe ich gehangen. Der einzige Weg, der mich retten konnte, erschien mir ungangbar. Ich war nicht bereit, meinen Glauben zu wechseln, auch damals nicht, als ich das
    Leben damit erkaufen konnte. Obwohl ich im Laufe der Zeit irre an ihm geworden bin, weil die Christenheit Europas nichts unternahm, die Glaubensgenossen mit der ihr zur Verfügung stehenden Macht zu schützen und zu befreien, hänge ich

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