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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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geheimnisvollen Mann gegenüberstand, erkannte er, daß es Wagnis ist, über ihn zu sprechen. »Omar, du hast den Tod verdient.«
    Er fühlte den Boden unter den Füßen wanken. Hatte man ihn aus der Gefangenschaft befreit, nur um dem Henker ein Opfer zu übergeben? Er war keines Wortes mächtig. Dem Tod im Kampf gegenüberstehen ist nichts gegen das Gefühl, das ihn wie mit Krallen packte, als er Mustapha ins Antlitz schaute.
    Mit dumpfer Stimme, die aus einem Grab zu kommen schien, und in der gleichen Härte sprach der Schreckliche weiter: »Ungehorsam ist das schlimmste Verbrechen, dessen ein Korsar fähig ist.«
    Ich weiß es, Herr, wollte er sagen; aber es war ihm, als ob der Strick des Henkers bereits um den Hals geschlungen wäre. Kein Laut kam aus dem geöffneten Mund.
    Plötzlich kam eine andere Stimme – weich, vertrauen-erweckend, gütig: »Ich habe es vergessen, mein Sohn.
    Du aber, vergiß es nicht, handle in Zukunft anders. Du gehst zurück auf das Schiff.«
    »Der Kapitän?« hatte er einzuwerfen gewagt. »Es ist ein anderer.«
    »Wo ist der alte?«
    Mustapha hatte nur eine kleine Handbewegung gemacht. Ob er dabei das verhängnisvolle Wort »Ungehorsam« ausgesprochen hatte, weiß Omar nicht mehr. Sicherlich, bestimmt, wenn es auch das Ohr nicht gehört hatte, die Augen lasen es vom Mund ab.
    Die Handbewegung war klar und eindeutig. Der Kapitän ist tot. »Ich habe dir die Freiheit zurückgegeben, mein Sohn. Erweise dich dankbar. Eines Tages wirst du, wenn es mir gefällt, Reis des Schiffes sein.«
    Wenn es mir gefällt! – Es wird ihm gefallen! Jetzt, da man nicht mehr der Sündenbock für alles sein muß, da man selbst befiehlt, sind dem Mut und der Kraft keine Grenzen gesetzt.
    Welch ein Mann, dieser gefürchtete Mustapha! Aber er ist ein Freund.
    Ich werde ihn nicht enttäuschen! Omar beschließt es wieder. Der alte Mitgefangene und seine Reden sind vergessen. Es ist alles falsch, was er gesagt hat. Ein alter Mann mit kindischem Geplapper. Nicht mehr daran denken.
    Aber immer wieder drängen sich seine Worte heran, sind die Gedanken plötzlich da. Man kann sie nicht abschütteln; sie lassen sich nicht totschweigen. Schlei-chendem Gift ähneln sie, verblassen, tauchen von neuem auf, geistern selbst durch die Träume als greifbare Gestalten, als Tatsachen, zwingen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Man kann sie widerlegen. Das Leben selbst hat es eindeutig getan. Er ist frei. Und dennoch fliehen sie nicht – Gedanken der Europäer, die unbedingt falsch sind. Alles ist falsch, was sie sagen und lehren, muß ja falsch sein; denn nur Allah, den sie nicht anerkennen, ist wahr und wahrhaftig.
    Du betrügst dich selbst, Omar! Die Stimme, die aus seinem Innern aufklingt – vielleicht spricht sie die Wahrheit? Nein, nein, es kann, es darf nicht sein.
    Kampf, Kampf! Nur im Kampf ist Rettung vor solchen Grübeleien zu finden.
    Omar, der ein Europäer ist, sehnt sich nach dem Verbrechen, um den bohrenden Gedanken, die Benedetto Mezzo in ihn gelegt hat, zu entrinnen.
    Während der junge Offizier von Zweifeln hin und her gepeitscht wird, von Schlägen, die nicht die Haut auf-platzen lassen und doch grausamer sind, durchstreift Benelli die Regentschaft. Er hat sich auf die Spur El-Fransis gesetzt.
    El-Fransi ist ein Franzose mit Namen Jean Meunier aus La Calle. Ein vermögender Mann, der sich eine so kostspielige Leidenschaft wie seine Jagd leisten kann. Von einem Luigi Parvisi konnten die Späher in dem Städtchen nichts erfahren.
    Namen sindwie Schall und Rauch, sie vergehen. Man kann sie ablegen wie ein schmutziges Hemd, sie nach Bedarf wechseln.
    Nun gut, hat Benelli entschieden, dann wird er einmal diesem Jean Meunier – El-Fransi – ins Gesicht blicken, und es wird sich herausstellen, ob es sich nicht doch um Luigi Parvisi handelt. Überraschung wäre es
    nicht; denn das Gefühl knüpft immer wieder Fäden zwischen Meunier und Parvisi, bringt Unordnung in die Gedanken, setzt Parvisi ein, wo man Meunier sagen wollte, und Meunier, wo an Parvisi gedacht wurde.
    Er hatte befohlen, diesen El-Fransi zu fangen und nach Algier zu bringen. Seine Helfershelfer sind unverrichteterdinge zurückgekehrt. Immer wieder ist ihnen das Wild entschlüpft. Alle Hochachtung vor diesem Mann, der vielleicht ein Landsmann ist. Fast ist Benelli stolz auf ihn, aber nur für einen Augenblick; er kann keinen neben sich dulden, der über Witz und Geist verfügt, der ebenso Abenteurer ist wie er selbst. Noch hat Parvisi – aber wer

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