Unter Korsaren verschollen
bleibst bei mir, wirst meine Befehle überbringen!« brüllt er einem alten Piraten ins Ohr. Zugleich packt er ihn und zieht ihn mit sich.
Den Steuermann stößt er vom Rad, umklammert es selbst. »Die Masttrümmer über Bord, den Kapitän befreien. Alle Leinwand herunter! Zimmermann!«
Der Gerufene kommt. »Warum stehst du untätig herum?« Omar blitzt ihn an.
»Es ist zwecklos, überhaupt noch Hand anlegen zu wollen. Das Schiff ist verloren.«
»Noch nicht! Und es wird nicht verlorengehen, wenn alle mithelfen, es zu retten.«
»Ich sage dir, Omar, alle Mühe ist vergebens.«
»Wenn ich dich noch eine Minute untätig herumstehen sehe, lasse ich dir die Haut in Fetzen vom Körper peitschen. An deine Arbeit, Zimmermann! Nimm dir zu Hilfe, wen du willst, nur dichte das Leck. Alles andere laß meine Sorge sein. Ich rette Schiff und Mannschaft.«
Omar wird uns retten, er hat es versprochen! Die Männer greifen zu wie selten.
Die Offiziere aber überhören geflissentlich die Anweisungen des jungen Mannes. Zwar unterläßt man spöttische, verächtliche Äußerungen, doch man tut nichts, wartet ab. Die Mannschaft ist mit diesem Verhalten nicht einverstanden. Ihre Blicke verheißen nichts Gutes. Omar ist Herr des Schiffes. Keine Macht auf Erden würde ihm etwas anhaben können, wenn er sie, die Untätigen, über Bord werfen ließe. So fügen sie sich endlich mißmutig, aber sie fügen sich.
Nicht die Befehle, die Omar erteilt, werden vielleicht das Schiff retten, denn was zu tun ist, wissen alle anderen plötzlich auch; aber das ist nicht das Ausschlagge-bende. Daß es ihm gelingt, die wilden, grausamen, rück-sichtslosen Kerle, die nicht mehr wollten, alles aufgegeben hatten, zum Kampf anzuspornen, das ist einzig und allein Verdienst seiner Persönlichkeit.
»Kampf, Leute, ob gegen ein sich wehrendes Schiff oder gegen die Natur, das bleibt sich gleich. Wir kämpfen und werden auch mit Sturm und Wellenbergen fertig!« Wie ein Jauchzen ist dieser Ruf in einem Augenblick, da der Sturm mit neuer Kraft ausholt.
»Ja, das werden wir, Omar!« Nur Bruchstücke der Begeisterung seiner Kameraden dringen durch Donner, Sturm und Meeresbrausen an das Ohr des jungen Schiffsführers. Wie sie, keine Gefahr achtend, seine Befehle ausführen, zeigt ihm, daß die Mutlosigkeit verschwunden ist. Mit diesen Männern kann Omar, der Erste und Kühnste von ihnen, das ganze Meer beherrschen.
Aber noch ist die Fregatte ein Spielball dräuender Na-turgewalten. Auf und ab geht es in diesem Ringen. Wenn Omars Kunst einen Vorteil errungen hat, dann macht eine orkanartige Boe alles zunichte. Ein winziges Schiff im Kampf gegen Riesenkräfte. Tag und Nacht, ohne Ende.
Oft, wenn die anderen vor sich hin dösten, sich wohlig in der Sonne rekelten, einem süßen Nichtstun frönten, war Omar über Karten gebeugt gewesen. Narr, Streber, war er ausgelacht worden. Wissen ist gut, mächtige Freunde aber sind besser, haben die anderen gedacht.
Man wird auch einmal Kapitän werden, selbst wenn die Fähigkeiten nicht so groß sind. Die Hauptsache ist, daß die Mannschaft mutig dem Feind an die Gurgel springt.
Jeder von Omars Offizierskameraden besitzt Freunde in der Umgebung des Deys.
Während die anderen in diesen Stunden, die das Ende bedeuten können, nicht aus noch ein wissen, zu keinem Befehl fähig sind, kommen dem jungen Mann seine Kenntnisse zustatten. Er weiß um alle Untiefen und Klippen des Mittelmeers.
Eine gewaltige Welle fegt über das Schiff, droht es zu zersplittern. Es geht vorbei. Aber der Platz, an dem Omar sich befand, ist leer. Augen suchen die leere Stelle zu durchdringen. Wo ist Omar? Über Bord gespült? Alle Hoffnung schwindet, heil aus der Gefahr herauszukom-men, da der Führer nicht mehr ist. Zwecklos alles.
Vorn am Anker hängt ein Fetzen Lumpen. Jetzt richtet sich das Etwas auf, kommt schwankend auf die Männer zu. »Omar, Omar!« brüllen die Menschen auf.
Es ist Omar, der gegen den Anker geschleudert und mit den Kleidern an ihm hängengeblieben war. Aber wie sieht er aus! Aus einer breiten Stirnwunde fließt Blut, hat das Gesicht besudelt.
Doch die Stimme ist die alte, wenn sich der junge Mann auch kaum auf den Beinen halten kann.
Der Kampf geht weiter.
Drei Tage weicht der verletzte Omar nicht vom Deck.
Jeder der Korsaren ist einmal für Stunden zusammengebrochen, hat die Hoffnung fahrenlassen. Aber er, Omar, hat das Kommando übernommen und das Versprechen gegeben, Mannschaft und Schiff zu retten. Wenn ihn nicht
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