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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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einmal wird Gravellis Tod Gesprächsstoff, allgemeiner Gesprächsstoff, der die Gemüter bis zur Weiß-
    glut peitscht.
    Luigi Parvisi hat bekanntgegeben, daß Gravelli der Verräter war, daß er schuldig ist an dem Unheil, das über viele genuesische Familien hereingebrochen war.
    »Fluch diesem Verräter!« schäumen die Fischer, Seeleute, alle Menschen der Hafenstadt.
    »Den roten Hahn auf das Verräternest!« Wer die Forderung erhob, weiß am Ende niemand mehr. Das will auch keiner wissen.
    Hunderte beteiligen sich an der Plünderung des Bankhauses. Die Angestellten sind machtlos, die Polizei wagt nicht, einzugreifen.
    Schuldscheine über unermeßliche Beträge werden Fraß der Flammen.
    Das Bankhaus Gravelli bricht zusammen, reißt die auf tönernen Füßen stehende Wiener Niederlassung mit in den Strudel. Pietro Gravelli wird zum Bettler, muß sich das zum Leben Notwendige von der Verwandtschaft seiner Frau zusammenbetteln.
    Schuld wurde zum Schicksal.
    »Baron Tomasini wollte uns in den nächsten Tagen besuchen, Luigi.«
    Vater Parvisi wirft die Bemerkung so ganz beiläufig bei Tisch hin. »Warum wollte, Vater?« Mutter Emilia lä-
    chelt fein. »Er hat es sich anders überlegt, bittet uns auf sein Schlößchen zu Gast. Wird es möglich sein, daß du uns begleitest, mein Junge? Fühlst du dich kräftig genug dazu?«
    »Natürlich. Ich freue mich, Baron Tomasini, den…«
    »Baron Tomasini, Luigi!« wirft Andrea scharf ein.
    »Anders kennen wir meinen Jugendfreund nicht.«
    »Wie du willst, Vater. Ich fahre selbstverständlich mit.«
    Ohne Wissen Luigis hatte Andrea dem Freund die Erlebnisse seines Sohnes bereits brieflich mitgeteilt, aber keine Antwort darauf erhalten.
    Das hatte ihn zuerst verwundert, bis er später den Grund dafür fand.
    Tomasini wird abwesend gewesen sein.
    Man reist. Signora Parvisi, Andrea, Luigi und Selim.
    Der Neger war besonders herzlich eingeladen worden.
    Am Parktor empfängt der Schloßherr die Gäste und geleitet sie zum Haus, an dessen Tür zwei große Plakate hängen. Das eine vom Wind und Wetter fast zerfetzt, das andere noch neu.
    Luigi bleibt vor ihnen stehen, wirft einen Blick darauf und spuckt verächtlich aus. Tomasini lächelt.
    Das zerschlissene Plakat ist ein Erlaß des Gouverne-ments Venedig vom 29. August 1820. Der Inhalt ist Luigi bekannt, aber er überfliegt die Zeilen.
    »Die Gesellschaft der Karbonari, die in den benachbar-ten Staaten verbreitet ist, hat versucht Anhänger in den Provinzen des Kaiserreichs (Österreich) zu werben.
    Das Ziel der Karbonari ist der Umsturz und die Zerstö-
    rung der Regierungen. Die Mitglieder werden als Hochverräter mit dem Tode bestraft.«
    Ja, er kennt es genau. Auch das andere, das er jetzt überfliegt. Es ist ein Erlaß des Königs von Neapel vom 10. April 1821. Luigi sucht den Artikel V. Da steht es wieder:
    »Das Ziel dieser Gesellschaft ist die Zerrüttung und Zerstörung der Regierungen. Wer in diese Gesellschaft eintritt und an verbotenen Versammlungen teilnimmt, wird mit dem Tode bestraft.

    Artikel VI:
    Gleichermaßen dem Tode verfallen ist derjenige, der, obwohl nicht Mitglied der Karbonari, dennoch die Ziele der Gesellschaft unterstützt.«
    »Lesen Sie genau, Luigi! Man muß diese beiden Erlasse so kennen, daß man sie im Leben nicht mehr vergißt.«
    »Ich kenne sie, Herr Baron. – Bitte, lassen Sie uns weitergehen.«
    »Wir sind unter uns«, spricht dann der Baron. »Ich bin erst in diesen Tagen aus Neapel zurückgekehrt. Österreich hat die Erfolge, die die ,guten Vettern’ errungen hatten, mit sechzigtausend Soldaten fortgewischt. Die von uns bestimmte Verfassung ist annulliert. Die gleichen Zustände wie früher sind wiederhergestellt. Die Karbonari waren ein Bund vaterländischer Idealisten, der leider nicht die große Masse hinter sich hatte. Was können auf die Dauer einige Hunderttausende erreichen, wenn die großen Ziele nicht Widerhall in jedem Herzen finden? Und die fremden Mächte wollten nicht zulassen, daß Italien frei und unabhängig werde.« Giacomo Tomasini spricht unbeteiligt, nicht wie einer, der ein Führer dieses Bundes war.
    »Später einmal werden auch unsere vaterländischen Wünsche Wirklichkeit werden!« prophezeit Andrea Parvisi.
    »Ohne die Karbonari?«
    »Ja, Giacomo, auch wenn die ,Köhlerei’ jetzt geschlagen, zerschlagen ist. Jetzt. Die Grundsätze der Gesellschaft sind groß und edel, sie werden für alle Zeiten Gültigkeit haben, wenn es vielleicht auch einer anderen Organisation

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