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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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Ist es die Angst, die ihm den Schweiß aus allen Poren treibt, oder ist das Pergament in seiner Hand feucht?
    Der Schwede reibt die Finger am Rock trocken, dann nimmt er den Kartenteil des Korsaren erneut in die Hand. Er ist feucht!
    »Schurkerei!« brüllt er auf. »Du hast den Paß ins Wasser gelegt, damit sich das Pergament verzieht!«
    »Schweig, Hund! Willst du mich des Betrugs anklagen?« Omars Arm schnellt hoch. In der Hand hält er die Peitsche.
    Ganz leicht, ehe er zuschlagen kann, legt sich eine Hand auf die Schulter des Korsaren, und eine zarte Stimme spricht: »Was geschieht hier?«
    Omar wirbelt herum, blickt in ein Antlitz, wie er keines je zuvor gesehen hat. Ein Mädchen steht vor ihm, zart und blond – der erhobene Arm scheint plötzlich aller Kraft beraubt. Wie alt dieses unwirkliche Wesen sein mag, kann der rauhe Pirat nicht schätzen.
    »Großvater, was soll das?« fragt das Mädchen in Schwedisch den Kapitän.
    »Anna, um Gottes willen! Gerade jetzt mußt du erscheinen. Nun ist alles verloren. Verflucht sei die Stunde, in der ich deiner Bitte nachgab, mich begleiten zu dürfen.«
    »Setz dich«, fordert das Mädchen ungerührt Omar auf.
    »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
    Der Korsar gehorcht willenlos. Die blauen Augen üben eine unwiderstehliche Macht auf den jungen Mann aus.
    So müßte die oberste der Houris im Himmel des Propheten aussehen. Daß die Erde solche Geschöpfe trägt, ist ihm neu. Und unverschleiert zeigt sich das Mädchen, läßt jeden seine Schönheit sehen!
    »Der Paß deines Vaters ist nicht in Ordnung.« Omar hält die Lider gesenkt. Er muß dem Zauber entweichen, wenn er nicht verloren sein soll.
    »Mein Großvater«, wird er belehrt. »Du mußt dich irren. Der Paß ist echt, oder muß er falsch sein?«
    »Sieh selbst, und dann sage mir, daß ich unrecht habe, wenn du kannst.« Omar gewinnt langsam die Ruhe zu-rück.
    Zu dumm, die beiden Teile passen wirklich nicht an-einander.
    »Im Wasser gelegen, verzogen«, belehrt grollend Jö-
    guurd die Enkelin.
    Omar ist aufgesprungen, schlägt dem alten Kapitän die Peitsche über den Kopf. »Allah verfluche dich! Das Schiff ist mein!« Er ist in höchster Wut.
    »Korsar!« Anna ist unter die Tür getreten. Die Pistole, die sie bisher in der Bluse verborgen hatte, ist auf Omar gerichtet.
    »Aus dem Weg, Mädchen, oder meine Peitsche wird dir ein unvergängliches Zeichen ins Gesicht graben!« faucht er Anna an.
    »Du kommst nicht lebend von Bord, wenn du nicht ver-sprichst, den ,Kong Karl’ ungehindert die Fahrt fortsetzen zu lassen!«
    »Weißt du nicht, wer ich bin!« droht der Korsar, ohne sich vom Fleck zu rühren.
    »Es kümmert mich nicht!«
    »Ich bin Omar!«
    Ein anderer hätte beim Hören dieses gefürchteten Namens alle Hoffnung sinken lassen, Anna Jöguurd nicht.
    »Wenn du Omar bist und dich dessen auch noch
    rühmst, nun gut, es ist deine Sache. Für mich bist du der größte Schuft und Schurke, den die Erde trägt. Du Menschenräuber, Mörder, Pirat, du, du… « Das Mädchen schleudert alle Gemeinheiten, die ihm aus der jahrhun-dertealten Geschichte des Korsarentums bekannt sind, dem jungen Mann entgegen. Anna ist es gleichgültig, wer die Verbrecher waren. Sie muß ihrer Wut Luft machen. Die Anklagen üben auf den Korsaren eine unge-ahnte Wirkung aus. Sein Zorn verfliegt. Fast ist er belustigt. Endlich hat das Mädchen menschliche Züge, ist nicht mehr ein unirdisches Wesen. Jetzt beherrscht er wieder die Lage.
    Als Anna eine Pause macht, um Atem zu schöpfen, wirft Omar spöttisch ein: »Ist das alles? Wenn nicht, fahre fort. Ich werde bis zum Ende zuhören.«
    Kaltblütig, obwohl die Pistole noch immer auf seine Brust zielt und der Finger am Hahn liegt, setzt er sich frech wie ein richtiger Junge auf den Kartentisch, auf die Pässe.
    Das ist zuviel für Anna. »Du Teufel!«
    Ja, ein Teufel ist dieser Omar. Alles ist an ihm abgeprallt. Er hat anscheinend gar nicht vernommen, was sie ihm gesagt hat, sie nur immer angeschaut. Diese hüb-schen, frechen, lustigen Augen zerbrechen Annas letzten Mut und ihre Kraft. Hilflos wie ein Kind bricht sie in Schluchzen aus. Die Pistole fällt polternd zu Boden.
    Der Großvater kommt gerade noch zurecht, um die Enkelin vor einem Sturz bewahren zu können.
    Etwas Überraschendes tritt ein. Der wilde, rücksichtslose Korsar fragt, was mit dem Mädchen sei.
    Eine Antwort erhält er nicht.
    Anna weint still vor sich hin. Sie hat das Gesicht an die Brust des Großvaters

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