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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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brauchte nicht einmal die amerikanische Flagge zu führen, um erkennen zu lassen, daß er von drüben stammt!« bestätigt der Steuermann der »Kong Karl« die Bemerkung Kapitän Jöguurds.
    Ein Strahl Tabaksaft platscht auf die Planken des Schweden. Jöguurd liebt seinen Kahn, aber jetzt ärgert er sich doch, auf einer solchen Kröte fahren zu müssen, während der Amerikaner zu schweben scheint.
    Die beiden Männer zucken zusammen. Drüben bei dem Amerikaner hat es aufgeblitzt, dicker weißer Rauch steigt hoch. Der Kerl hat dem alten braven »Kong Karl«
    einen Schuß vor den Bug gesetzt.
    »Verflucht! Was will man von uns? Sind denn unsere Staaten im Krieg?«
    Der Steuermann weiß darauf keine Antwort. Er
    schweigt. »Holt die Lappen herunter!« befiehlt der Kapitän.
    Während die Matrosen den Befehl ausführen, wirft Jö-
    guurd einen Blick auf das schmucke amerikanische Schiff. Vor Schreck bleibt ihm der Mund offen, aus dem er einen weiteren Strahl Tabaksaft auf die blitzsauberen Bretter des Schiffes spritzen wollte.
    Wo eben noch der Staatenwimpel flatterte, hängt jetzt die Korsarenflagge.
    Aber nur einen Augenblick lang ist der alte Schwede verdutzt; dann zischt doch der Tabaksaft hinunter. Was denn? Schweden zahlt einen jährlichen Tribut für den Schutz seiner Schiffe. Man ist sicher, trotzdem wird es jetzt Unannehmlichkeiten geben. Man kennt es: Bettelei-en, Forderungen auf Lebensmittel, Geschenke und ähnliches blüht einem Kapitän, der auf Fahrt angehalten wird.
    Das Schlimmste steht aber in der Heimat bevor: Schiff und Mannschaft müssen in die Quarantäne. Es besteht immer die Gefahr, daß durch die Berührung mit den Korsaren die Pest eingeschleppt wird.
    Das Raubschiff hat beigedreht. »Al-Dschezair« heißt der Bursche. Noch nie gehört.
    »Nils«, wendet sich der Kapitän zurück zum Steuermann, »das ist die portugiesische ,Lisboa’, von der vergangenen Herbst so viel gesprochen wurde. Weißt du, wer der Kapitän ist?«
    »Hm.« Das ist weder ja noch nein. Die saure Miene des Gefragten zeigt aber, daß er den Namen des Schiffsführers kennt und nichts Gutes von ihm erwartet.
    Drüben wird ein Boot zu Wasser gelassen. Jöguurd wundert sich, dass außer der Rudermannschaft nur ein Mann einsteigt. Nach den Vereinbarungen dürfen es ein Offizier und zwei Begleiter sein.
    »Wetten, daß der Offizier niemand anders ist als –
    Omar?« wendet sich der Kapitän an seinen alten Freund.
    »Das könnte dir so passen, Gustaf Jöguurd! Ich werfe mein Geld nicht zum Fenster hinaus, das heißt, in diesem Falle ins Wasser. Es ist Omar!« Und hinzu fügt er noch:
    »Hoffentlich bekommt der Schuft Anna nicht zu sehen!«
    »Mein Gott, Nils! Daß ich daran nicht dachte! Ich muß das Mädchen verstecken.«
    Aber es ist zu spät. Das Boot hat sich auf Rufweite ge-nähert. Eins beruhigt den alten Schweden. Der Korsar hält sich an die Abmachungen, ja, er bringt nicht einmal die ihm zustehende Unterstützung mit. Er wird kaum Böses im Schilde führen.
    »Woher und wohin?« klingt es jetzt in der Lingua franca, der in der Levante und in Nordafrika überall ge-bräuchlichen Mischsprache, vom Wasser her.
    »Von Konstantinopel nach Stockholm«, antwortet Jö-
    guurd.
    »Welche Ladung?«
    »Alles mögliche. Teppiche, Seidenstoffe, Öle, Datteln.«
    »Ich komme an Bord!«
    Das soll Omar, der Schrecken des Mittelmeers, sein?
    Ein netter junger Mann, wird kaum zwanzig Jahre alt sein, denkt der schwedische Kapitän, während er ihm die Strickleiter hinunterwirft.
    »Den Paß!« fordert der Korsar, als er auf Deck des
    »Kong Karl« steht.
    »Komm!« Damit geht Jöguurd zum Kartenhaus. Der Musterpaß, unregelmäßig in zwei Teile zerrissen, wird auf dem Tisch ausgebreitet. Solche Pässe besitzen alle Kapitäne Schwedens und der Staaten, die durch Tribut-zahlungen mit dem Dey verbunden sind. Diese Musterpässe sind die sogenannten afrikanischen Seepässe ohne Schriftzeichen, da die Piratenkapitäne nicht lesen können. Dafür aber sind diese Dokumente mit Abbildungen von Schiffen, Blumen, Wappen und anderen leicht er-kennbaren Zeichnungen versehen und eben in zwei Teile zerrissen.
    Omar zieht ein gleiches Stück heraus, schiebt den rechten Teil des auf dem Tisch liegenden Passes zur Seite und legt dafür das entprechende Stück an. Die Rißflä-
    chen passen – nicht zueinander.
    »Da! Falsch, Kapitän. Ich betrachte das Schiff als Prise.
    Widerstand ist zwecklos.«
    Jöguurd erbleicht. Seine Hand greift nach dem Paß Omars.

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