Unter Korsaren verschollen
mit dem ,A1-Dschezair’ vor keinem französischen Kauffahrer, auch nicht vor Kriegsschiffen, aber ich be-fürchte Schlimmes für unser Land.«
»Schweig! Was geht es dich an! Ich fürchte die Hunde nicht. Man beitrügt mich um die Bacri-Millionen. Dir kann gleich sein, was geschieht. Nicht du, sondern ich bin der Dey, und ich weiß, was ich will. Nochmals: Be-kämpfe die Franzosen.«
Omar ist entlassen. Jetzt begleitet ihn kein argwöhnischer Offizier. So kann er da und dort bei Bekannten stehenbleiben, mit ihnen plaudern, und er kommt auf diese Weise langsam zu einem Bild dessen, was am Nachmittag geschehen war.
Über die Bacri-Millionen erfährt er aus verschiedenen, sich zum Teil widersprechenden Quellen dies:
Das große jüdische Handelshaus Bacri hatte Ausgang des 18. Jahrhunderts dem Konsul Bonaparte für einige Millionen Franken Getreide geliefert. Auch später noch, als Bonaparte bereits der Kaiser Napoleon geworden war, erfolgten algerische Getreidelieferungen nach Frankreich. Aus irgendwelchen Gründen war die Bezah-lung der Schuld hinausgezögert worden, obwohl der Kaiser eine Prüfung der algerischen Forderungen befohlen hatte. Mit der Zeit stieg durch Zinsen und Spesen die Schuld auf sechzehn Millionen Franken an. Riesenpro-zesse wurden wegen dieser Summe in Paris geführt.
Endlich bequemte sich die französische Regierung –
Napoleon befand sich längst auf St. Helena, seinem Ver-bannungsort im Atlantischen Ozean – , die Forderung anzuerkennen, nachdem sie bis auf sieben Millionen herabgehandelt worden war. Der Betrag wurde den französischen Prozeßbevollmächtigten des Hauses Bacri überschrieben, aber auf Sperrkonto gelegt, da französische Kaufleute Forderungen an Bacri hatten, die sie von den Millionen gedeckt haben wollten. Der Dey Hussein Pascha, Teilhaber des Hauses Bacri, fühlte sich durch die Zurückhaltung des Vermögens gekränkt.
Am frühen Nachmittag des 27. April 1827, gegen ein Uhr, erschien der französische Konsul Deval, ein ausgezeichneter Kenner orientalischer Verhältnisse, bei Hussein, um ihm, wie es alle anderen Konsuln auch zu tun gezwungen waren, Glückwünsche zum Beiramfest auszusprechen und die üblichen Geschenke zu übergeben.
Wegen der Millionen hatte der Dey im Oktober 1826
an den französischen Außenminister geschrieben. Eine Antwort war noch immer nicht eingegangen, und Hussein war verständlicherweise erbost. Monsieur de Damas, der Außenminister, hatte es nicht für nötig gehalten, die Mahnung schriftlich zu beantworten, nur Herrn Deval unterrichtet, daß das Drängen des Türken unberechtigt sei. Dieser Bescheid wurde auftragsgemäß am 27. April überbracht. Wieder abgelehnt – das erzürnte den Herrscher Algeriens, und nicht für wert gehalten zu sein, auf einen direkten Brief eine unmittelbare Antwort zu bekommen – das versetzte Hussein Pascha in Wut.
Andere europäische Könige und Fürsten würdigten den Dey persönlicher Schreiben, nur Frankreich wagte es, ihn so herabsetzend zu behandeln, ihn, den bedeutendsten Herrn Nordafrikas und Beherrscher des Mittelländischen Meeres!
Der Dey Hussein Pascha schlug den Vertreter des französischen Königs mit dem aus Palmenstroh geflochtenen Fächer. –
Der französische Konsul vom Dey wie ein Hund körperlich gezüchtigt – das kann Krieg mit der europäischen Großmacht bedeuten! Viele aus der Umgebung des Deys sind im Innersten tief beunruhigt, viele aber lächeln auch nur über den Zwischenfall. Die Europäer haben sich von jeher vor den türkischen Deys und ihren Korsaren ge-fürchtet, sich manches gefallen lassen, Geschenke über-mittelt, wo sie besser zuschlagen sollten – die Franzosen werden das ihrem Vertreter angetane Unrecht ebenfalls mit Stillschweigen übergehen. Und wenn nicht – dann eben Krieg! Algier ist eine uneinnehmbare Festung, und die Korsarenschiffe beherrschen das Meer. Omar und die anderen Kapitäne werden sofort zeigen, daß die Türken die Franzosen nicht fürchten.
Omar verhält oft den Schritt, als er von der Kasbah zu seinem Haus hinuntersteigt, und sinnt dem Gehörten nach. Bisher hatte er sich nie um die Politik der Türken gekümmert. Ich bin der gefürchtetste Korsarenreis mit unbeschränkter Handlungsfreiheit, das war sein Glau-benssatz gewesen, und der hatte ihm genügt. Nun aber soll der »Al-Dschezair« mit Sonderauftrag kreuzen, sind dem Kapitän die Hände gebunden, ist das Schiff fast ein richtiges Kriegsschiff geworden. Benedetto sagte doch einmal,
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