Unter Korsaren verschollen
er. »Mußt du auch weiterhin dein schändliches Handwerk treiben und Unheil säen?«
»Ich suche ihn, Benedetto, auch wenn es den Anschein haben sollte, daß ich auf den Zufall warte. Im übrigen liegt mir, offen gesagt, im Augenblick nicht viel daran, dem falschen ,A1-Dschezair’ zu begegnen.«
»Was soll das, Omar? Hast du mich getäuscht?«
Omar lächelt. »Beantworte klar und wie einer, der nichts mit der Sache zu tun hat, diese Frage: Kann ich mit Stadtmauren aus Algier Krieg gegen den Dey führen?«
»Ich denke, du hast es auf den Gegner abgesehen.«
»Natürlich, zuerst auf ihn; denn wenn er gefallen ist, bin ich Herr des Mittelmeers. Ich werde, nachdem die Wellen über dem Falschen zusammengeschlagen sind, der Korsarenjäger Omar sein, der nicht wieder nach Algier zurückkehrt.«
»Ah.«
»Wenn ich keinem gegenüber ehrlich bin, dich, Benedetto, werde ich nicht betrügen. – Hast du nicht schon bemerkt, daß ich nach und nach immer wieder neue Leute an mich gezogen habe? Die Lücken, die die Angriffe in die alten, bewährten Korsaren geschlagen haben, wurden durch Menschen aus dem Innern des Landes aufgefüllt. Alles braucht Zeit. Ich weiß aus eigener, bitterer Erfahrung, daß die Kabylen, Berber und Araber Feinde der Türken sind. Diese neuen Männer müssen erst zu Seeleuten und Kämpfern erzogen werden. Und um den Dey nicht argwöhnisch werden zu lassen und mir die Mannschaft treu und ergeben zu erhalten, muß ich Prisen bringen.«
Der alte Italiener ist überrascht von dem Weitblick Livios. Der Junge hat sich also ernstlich mit dem Gedanken eines Kampfes gegen das Piratentum der Türken beschäftigt.
»Ich habe an dir gezweifelt, Livio. Verzeihe mir. Mein Plan hatte mich so begeistert, daß ich ihn von heute auf morgen ausgeführt sehen wollte.
An solche unerläßliche Einzelheiten dachte ich nicht.
Du bist ein Teufelskerl, Junge! Ich werde nie wieder irre an dir werden.«
Die Jagd auf Kauffahrteischiffe und die Suche nach dem großen Unbekannten geht weiter. Man begegnet ihm nicht. Hört auch nichts mehr von ihm. Ob er sich vor dem gefährlichsten Korsaren fürchtet, der Rache dessen entfliehen will, mit dem er ein so schändliches Spiel treibt?
Sobald der »Al-Dschezair« in Algier einläuft, befiehlt der Dey den Reis zu sich. Immer wieder muß mitgeteilt werden, daß der Gegner noch nicht gefunden wurde.
Die Geduld ist zum Bersten angespannt. -
Mitte April 1827 kehrt Omar von der ersten Such- und Kaperfahrt nach der untätig verbrachten Winterzeit zu-rück. Er will mit seinen Leuten das Beiramfest, das mohammedanische Hauptfest, das auf die Beendigung des Ramadan, des Fastenmonats, folgt, begehen.
Am Vorabend des Festes schwirren Gerüchte durch die Stadt. Unklare Gerüchte, Gemunkel. Omar kann daraus nicht klug werden, soviel er auch versucht, Einzelheiten zu erfahren.
Er ist soeben vom Abendgebet aus der Moschee zu-rückgekehrt, als ihn ein Bote in die Kasbah bittet.
Überall in dem großen Gebäude stehen Türken umher und tuscheln miteinander. Omar blickt in finstere, manchmal verängstigte Gesichter. Der ihn begleitende und führende Janitscharenoffizier gestattet nicht, daß der Korsar stehenbleibt und Gespräche anknüpft.
Um Hussein Pascha sind die führenden Mitglieder des Diwans versammelt. Unterschiedlich die Mienen der Männer. Einige blicken ebenfalls finster drein, in den Augen anderer steht ein unheimliches Feuer. Zu den letzteren gehört der Dey.
»Omar«, beginnt der Herrscher, nachdem er den Gruß des Reis gnädig erwidert hat, »du bist der kühnste und fähigste meiner Kapitäne, wirst vielleicht einmal Admiral werden, obwohl du kein Türke bist.«
»Herr!« stottert, verwirrt über die sich für die Zukunft abzeichnenden Möglichkeiten, der Korsar.
Der Dey lächelt. »Den zweiten ,A1-Dschezair’ laß vorerst ungeschoren, es sei denn, es handelt sich um ein französisches Schiff. Er kümmert mich im Augenblick nicht sonderlich und soll auch für dich Nebensache sein.
Von nun an richte all dein Augenmerk nur noch auf französische Schiffe. Jage sie, bringe sie als Prisen ein oder schicke sie auf den Grund des Meeres, nur befreie mich von ihnen. Hast du verstanden?«
»Ja, o Gebieter, nur ist mir dunkel, warum es sein muß.
Ich erinnere mich, daß – wann war es gleich? –, richtig, vor drei Jahren, England dir feindlich gegenüberstand und unsere Küste blockierte. Jetzt sollen wir Jagd auf französische Schiffe machen, richtige Jagd; ich fürchte mich
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