Unter Korsaren verschollen
Ich spreche die Wahrheit.« Obwohl dem Korsaren die Angst im Gesicht steht, ist er doch kein Feigling, der aus Furcht vor dem gefürchteten Reis unwahr berichtet.
»Auch ich spreche sie. Trotz allem, ich danke dir, mein Freund. Weitere Fragen habe ich nicht. – Da, deine Belohnung.«
Die Unterredung ist beendet. Benedetto bringt den Mauren bis vors Haus. Als er zurückkommt, sagt Omar:
»Und doch lügt er!«
Der Italiener kann mit der ganzen Sache nichts anfangen. Er schweigt. »Oder gibt es einen zweiten ,Al-Dschezair’?« Der Korsar spricht seine Gedanken aus.
Benedetto stürzt sich plötzlich auf Omar, packt ihn an den Schultern, schüttelt ihn. Er ist auf einmal Feuer.
»Mann, Freund, Livio! Das ist des Rätsels Lösung. Jemand hat dein Schiff nachgebaut. Vielleicht der Bey von Tunis, mit dem Algier so oft schon auf gespanntem Fuß gestanden hat. Nur so kann es sein. Ich setze meinen Kopf, daß diese Vermutung richtig ist.«
»Wir wissen noch nichts Genaues«, dämpft der Kapitän die Begeisterung des Alten. »Sollte es der Fall sein, dann werde ich diesen falschen ,A1-Dschezair’ vernichten. Es tut mir leid, deinen Plan, der, ich gestehe es freimütig, höchsten Reiz für mich hatte, nicht ausführen zu können.
Mein Ruf steht auf dem Spiel. Willst du dabei an meiner Seite bleiben, Benedetto? Ich verspreche dir, später das andere zu erwägen. Jetzt kämpfe ich zuerst für mich.«
Der Italiener ist enttäuscht. Aber er tröstet sich mit dem Gedanken, daß, wenn dieser zweite, geheimnisvolle Segler vernichtet wird, doch zugleich auch ein Feind der europäischen Seefahrt fällt. Omar wird sein ganzes Augenmerk nur noch auf den unbekannten Gegner richten, nicht mehr auf Prisen. Schon das ist wertvoll. Er nimmt die Aufforderung an.
Lange besprechen die beiden Männer Einzelheiten.
Omar wird zweifelhafte Gesellen seiner Mannschaft aussondern und sie durch andere, brauchbare Leute ersetzen. Es ist nicht schwer, denn viele drängen sich in die Reihen des erfolgreichsten Piratenkapitäns.
Vorerst muß Omar Korsar bleiben wie zuvor; denn der falsche »Al-Dschezair« wartet bestimmt nicht vor Algier auf ihn. Man wird ihn suchen müssen, wenn er es nicht überhaupt vorzieht, einer Begegnung auszuweichen.
Ohne auch nur eine Viertelstunde in dieser Nacht geschlafen zu haben, läßt sich Omar zur frühstmöglichen Zeit bei Hussein Pascha melden.
»Ein Gegner ist uns entstanden, o Dey«, beginnt er. »Es gibt einen zweiten ,A1-Dschezair’, der deine Schiffe angreift.«
»Woher ist dir so plötzlich diese Erkenntnis gekommen?« fragt der Türke lauernd. Er vermutet eine List des Reis’, dem er alles zutraut. Noch immer ist sein Argwohn nicht geschwunden.
»Ich weiß es nicht genau, aber es kann nicht anders sein. Warte ab, und du wirst von weiteren Angriffen hö-
ren, während mein Schiff noch im Hafen liegt oder in einer anderen Zone des Mittelmeers kreuzt.«
»Solltest du recht haben, dann…«
»…dann werde ich ihn vernichten!« fällt Omar dem mächtigen Mann ins Wort.
»Wenn du das kannst, werde ich mich bemühen, jeden deiner Wünsche zu erfüllen«, versichert der Dey.
»Ich habe keinen als den, uns zu rächen. Ich nehme dein Einverständnis als gegeben an, mein Schiff für diesen Kampf so auszurüsten, zu bestücken und zu bemannen, wie ich es für richtig erachte. Auch wenn einige Zeit dabei verlorengehen sollte.«
»Tue, was du willst, nur schicke den Gegner in die Höl-le!« Diesmal eilt es Omar nicht, wieder Segel zu setzen.
Man schüttelt bereits in der Stadt den Kopf über diese ungewöhnlich lange Liegezeit des »Al-Dschezair«.
Der Kapitän ist verreist. Zu Achmed und Ali und manchem anderen seiner Jugendfreunde. Er will sie bitten, zu ihm auf das Schiff zu kommen. In dem bevorstehen-den großen Kampf sollen Menschen an seiner Seite sein, die treu sind.
DER GEGNER
Zwei kleinere Korsarenschiffe sind überfällig. Niemand weiß, was mit ihnen geschehen ist. Der »Al-Dschezair« liegt noch im Hafen.
Omar kann man nicht zur Rechenschaft ziehen, wenn sich herausstellen sollte, daß der unheimliche Unbekannte auch dabei die Hände im Spiel hat.
Endlich sind die Vorbereitungen beendet. Der »Al-Dschezair« sticht in See. Ziel ist der unbekannte Gegner.
Kauffahrteischiffe kümmern Omar nicht
Reiche Beute entschlüpft so den Korsaren. Die Mannschaft fängt an zu murren. Warum läßt der Kapitän die Segler ungeschoren? Sie würden ihm wie überreife Früchte vor die Füße fallen.
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