Unter Korsaren verschollen
Aber er stört ihre Bahn nicht. Man hat ihm Treue und Gehorsam selbst gegen Himmel und Hölle geschworen, jedoch nicht in der Absicht, dabei Verluste zu erleiden. Jedes Schiff, das nicht gekapert wird, ist Einbuße für die Leute, denn sie sind am Raub beteiligt.
Man murrt, stänkert untereinander, wagt aber nicht, den verehrten Reis zur Rede zu stellen.
Omar deutet die ihm zufliegenden finsteren Blicke richtig. Seine Männer sind unzufrieden.
Ein Segler kommt in Sicht. Es ist ein Spanier.
»Allah sei Dank! Der kommt zur rechten Zeit«, murmelt der Korsar vor sich hin.
Zur rechten Zeit, um den schwelenden Aufruhr abzuwürgen. Binnen kurzem wären haushohe Flammen em-porgeschlagen. Jetzt muß angegriffen werden. Keinesfalls darf es seinen Leuten gelingen, die Entscheidungen des Kapitäns zu beeinflussen und damit die Macht auf dem »Al-Dschezair« zu erringen.
»Wir nehmen ihn, Leute!« befiehlt er.
Aus Nacht wird Tag. Die finsteren Mienen glätten sich, die Augen funkeln“. Omar hat in letzter Minute die Macht halten können. Die Stimmung ist radikal umge-schlagen.
Ich muß sie stetig bei guter Laune erhalten, denn ohne sie fällt im Augenblick der höchsten Gefahr der Sieg an den Feind, denkt Omar.
Der Mannschaft seine Pläne mitzuteilen, kommt ihm nicht in den Sinn. Er ist der Befehlshaber, sie ist es, die die Gedanken und Befehle in die Tat umzusetzen hat.
Die Kräfte sollten für den großen Schlag geschont werden. Es ist falsch. Nur wenn die Männer bei guter Stimmung sind, kann der Kampf mit dem geheimnisvollen Gegner gewonnen werden. „Was macht es dabei aus, daß sie von einem Angriff in den nächsten torkeln?
Kampf ist Teil ihres Lebens, der Inhalt des Lebens.
Der Spanier wehrt sich nicht.
Die Korsaren sind glücklich.
Omars Fregatte ist wieder zum Schrecken des Mittelmeers geworden. Wehe dem Segel, das sich am Horizont zeigt! Keines entschlüpft dem »Al-Dschezair«.
Vom Gegner ist nichts zu sehen.
Als die Beute sehr groß geworden ist, kehrt die Fregatte in den Hafen zurück.
Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die beiden feh-lenden Segler aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Unbekannten genommen oder versenkt worden sind, der unter der Flagge des »Al-Dschezair« fährt. Als sicher weiß man, daß Omar und der Fremde nicht eine Person sind, denn die überfälligen beiden Raubschiffe befanden sich auf Fahrt, als der »Al-Dschezair« noch im Hafen lag. Es gibt ein zweites, gleichnamiges Schiff!
Omar benutzt jede Möglichkeit, sich anderen algerischen Korsaren zu zeigen, damit immer Zeugen benannt werden können, falls erneut sein Ruf und seine Ergebenheit den Türken gegenüber angetastet werden sollten.
Nichts ändert sich. Omar bleibt nach wie vor der ge-fürchtete Pirat.
Benedetto spricht seit langem nie mehr von sich aus mit Livio. Kurz, fast abweisend beantwortet er Fragen. Die Zeit freundschaftlicher Gespräche zwischen den beiden Männern gehört der Vergangenheit an. Dafür hält sich Omar an die Jugendfreunde Ali und Achmed – und an Mahmud, den einstigen Feind, der sofort bereit war, mit ihm zu gehen, obwohl er nicht aufgefordert worden war.
Sie sind ein wenig in Omars Pläne eingeweiht.
Die Augen des alten Italieners können nicht verbergen, was er vom Handeln des jungen Landsmanns hält. Sie sind ein stiller, aber dauernd wacher Vorwurf. Immer, wenn eine Prise genommen ist, steht er vor Omar.
»Komm!« fordert der Kapitän einmal nach beendetem Kampf auf.
Stumm folgt Benedetto in die Kajüte.
»Ich weiß, was du denkst«, beginnt Omar, »auch wenn dein Mund sich nicht zu einer Anklage öffnet. Hier ist meine Hand. Du batest mich in der Nacht, die meine letzte werden sollte, in die deine einzuschlagen. Ich schlage ein. Ich werde Korsarenjäger, wenn der falsche
,A1-Dschezair’ erledigt ist. Mein Wort ist ein Schwur.
Ich weiß nicht, bei wem ich schwören soll, denn der Bart des Propheten kümmert mich seit langem nicht mehr.
Habe Geduld, Freund!«
»Geduld, Geduld, wenn du nur um dein eigenes Ich besorgt bist«, braust Benedetto auf, beruhigt sich aber und fährt fort: »Gut, ich will an dich glauben, Livio, will es wenigstens versuchen; ehrlich. Ob es gelingt, kann ich nicht voraussehen.«
Das gespannte Verhältnis lockert sich seitdem. Der ehemalige Sklave gibt sich redliche Mühe, seinen Unwillen nicht zu zeigen. Später wagt er es sogar wieder, Omar Vorhaltungen zu machen.
»Warum beschränkst du dich nicht darauf, den Unbekannten zu suchen?« fragt
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