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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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öffentlich ausgesproche-nen Anklage.
    Lange aber halten niederdrückende Gedanken bei dem tatkräftigen Mann nicht an. Das Leben verläuft nicht immer glatt; nicht jedes Geschäft geht so aus, wie es geplant war. Mit neuem Wagemut wird er den heute erlittenen Schlag ausgleichen! Ruhiges Überlegen gewinnt die Oberhand. Richtig betrachtet, hat er doch wie ein vorsichtiger Geschäftsmann gehandelt. Die Versicherung wurde abgelehnt, weil die Möglichkeit eines Gewinns wie eins zu neunundneunzig stand. Bei einem solch ungünstigen Verhältnis übernimmt kein guter Kaufmann eine Gefahr.
    Die Rechnung mit den Parvisis bleibt also unbeglichen.
    Und das Versprechen, Luigi Parvisi und seine Familie in den Untergang zu führen, ist nicht eingelöst. In Wien wartet Pietro auf die Erfüllung. Pietro wartet!
    Von Benelli ist im Augenblick nichts zu befürchten.
    Man kommt dem verhängnisvollen Vertrag wie früher pünktlich nach, mehr kann keiner verlangen. Daß die
    »Astra« den Korsaren entgangen ist, ja, das müssen der Dey und Benelli der Ungeschicklichkeit ihrer Leute zu-schreiben. Keinesfalls darf man es dem Angeber zur Last legen.
    Benelli scheidet aus. Für die nächste Zukunft muß alles Augenmerk auf Parvisi gerichtet sein. Ein Dummkopf, dieser Andrea! Familiäre Zwistigkeiten haben zur Feindschaft geführt. Gravelli lacht auf. Dieser Narr, dieser Feigling, der alte Freund! Hat geschwiegen damals, als er alle Trümpfe besaß, um dem Gauner Gravelli das Handwerk legen zu können. Warum soll ich ein mir genehmeres Wort gebrauchen, mich vor mir besser machen als ich bin? Ich bin allein, und meine Gedanken hört niemand. Hinter diese Stirn zu blicken, wer vermag’s?
    Einer nur, aber der hat es bis vor kurzem nicht für nötig erachtet, hat obendrein den Grund des Zerwürfnisses –
    diese lächerliche Zeichnung Luigis – nicht nur nicht ent-kräftet, sondern ihn noch bestätigt. Heute aber hat er die Redlichkeit genuesischer Bürger angezweifelt. Ganz allgemein. Jedoch Brandi war zugegen, und der wird die Andeutung richtig verstanden haben. Was, wenn der kleine Kaufmann den Mund nicht hält? Welche geschäftlichen Auswirkungen sich dann ergeben, ist nicht vo-rauszusehen. Ach was, Brandi hat heute ein blendendes Geschäft gemacht, wird vorerst nicht an das Gehörte denken, sich in seine Bücher vertiefen und neue Pläne schmieden. Und morgen wird man ihn kaufen, ihm den Mund mit Krediten und Hinweisen versiegeln. Von dieser Seite ist nichts zu befürchten. Dennoch, keine Minute ungenutzt lassen!
    Der Bankier wirft ein paar Zeilen auf ein Papier. Verlockende Aussichten für Brandi. Für morgen bittet ihn Agostino Gravelli zu einer Besprechung.
    »Laß diesen Brief durch einen unserer jüngsten Angestellten zu Brandi bringen«, weist er den durch ein Klingelzeichen herbeigerufenen Diener Camillo an.
    Wieder allein, rechnet Gravelli erst einmal mit sich selbst ab. Schonungslos nennt er sich Tölpel, Narr, Dummkopf, daß er mit seinen Reden von einem Totenschiff Parvisi einen Anhaltspunkt gegeben hat. Zu fest hatte er mit dem Dey gerechnet und im Vorgefühl befriedigter Rache alle Vorsicht außer acht gelassen. Unverzeihlicher Fehler, der ausgelöscht werden muß. Wie?
    Lange überlegt er. Sein Blick haftet auf der Uhr, aber er sieht weder das gleichmäßig ausschlagende Pendel noch die vorrückenden Zeiger. Er zermartert sich den Kopf.
    Kunstvoll aufgebaute Pläne werden im letzten Augenblick verworfen. Immer und überall findet Gravellis scharfer und vorausschauender Geist eine Lücke, durch die der Gegner entweichen könnte. Wie ein Schachspie-ler, der viele Züge des Partners vorausberechnet, so schmiedet der Bankier erneut am Untergang des Hauses Parvisi.
    Plötzlich löst sich die verkrampfte Haltung des Mannes.
    Die Augen leuchten wieder auf.
    »Gut! Der Kampf kann beginnen«, murmelt er vor sich hin. Dann rückt er sich zurecht, schließt die Augen. Wenig später schläft er ruhig wie ein Kind.
    Da Camillo, der persönliche Diener Gravellis, nie unge-rufen ein Zimmer im Hause des Bankiers betritt, vor allem nicht den Raum, in dem er gerade den Hausherrn weiß, verstreichen einige Stunden ungestörter Ruhe.
    Als Gravelli die Augen öffnet, ist er trotz der ungünstigen Lage, die er im Sessel eingenommen hatte, sehr frisch. Nur wenig braucht er die Hand auszustrecken, um das breite Band zu erreichen, das die Klingel betätigt.
    »Leuchte, Camillo!«
    Die beiden Männer steigen in den Keller hinab, der sich unter dem

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