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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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nur…«
    »Nur? Mann, so reden Sie doch!« Parvisi ist aufgesprungen. Auch der Franzose hat sich erhoben. Jetzt legt er leicht die Hand auf den Arm des Italieners und führt ihn zurück zu dem Sessel.
    »Sie alle, die im Hafen waren, sind Opfer eines verhängnisvollen Zufalls geworden. Es handelt sich um den französischen Segler ,L’Astre’, nicht um das italienische Schiff ,Astra’. Die gleichnamigen Schiffe hatten das gleiche Ziel. Der Kapitän wird nichts Böses beabsichtigt haben, als er die Auskunft gab.«
    »Ihre ,L’Astre’ ist in Malaga glücklich gelandet. Und die ,Astra’? Herr de Vermont, ich beschwöre Sie, berichten Sie, bitte!«
    »Ich komme eigens aus Marseille, um Sie zu trösten.«
    »Um Gottes willen!« Parvisi ist erbleicht. »Zu trösten«, wiederholt er. »Was ist geschehen?«
    »Auch ich bin Vater. Ich verstehe, daß Ihr Herz unter der Ungewißheit zittert.«
    »Die ,Astra’ ist verunglückt?« Der Kaufmann beugt sich vor, als wolle er die Worte des anderen verstehen, noch ehe sie ausgesprochen sind.
    »Sie ist nicht in Malaga angekommen.«
    »Ge…?«
    »Gekapert.«
    Totenstille herrscht. Wie ein Gespenst steht dieses »Gekapert« im Raum. Endlich faßt sich Parvisi und spricht stockend und mit belegtet Stimme:
    »Weiß man etwas über das Schicksal der Menschen?«
    »Heimkehrende Fischer haben einige Leichen gefunden.«
    »Mein Sohn? Raffaela? Das Kind?«
    Der Franzose öffnet die Arme und hält die Handflächen nach oben. Von den Parvisis weiß er nichts.
    »Gekapert! Das heißt: tot oder in die Sklaverei geschleppt. Alle meine Lieben. Vernichtet, ausgelöscht.
    Gott, warum tatest du das? Warum?« Ein Vater fordert Rechenschaft von Gott.
    Xavier de Vermont achtet den tiefen Schmerz des un-glücklichen Menschen. Was sollen hier Worte?
    »Vergebt dem Überbringer schlimmer Nachrichten, Herr Parvisi. Es war der Wunsch unseres gemeinsamen spanischen Freundes, Don Pedro Avilas, daß Sie die Kunde von einem mitfühlenden Menschen erhalten sollten. Ich werde mich einige Tage in Genua aufhalten und stehe Ihnen gern zur Verfügung, falls Sie meiner Hilfe bedürfen sollten.« Der Franzose streckt Parvisi verab-schiedend die Hand hin, die der Italiener auch nimmt, aber nicht wieder freigibt.
    »Sie boten mir soeben Ihre Hilfe an, Herr de Vermont.
    Und wenn ich sie schon jetzt erbäte? Bleiben Sie, seien Sie mein Gast. Ihre Worte bezeugten, daß Sie Verständnis für den Schlag haben, der mich getroffen hat, und so werden Sie auch die Gastfreundschaft eines Trauerhau-ses nicht ausschlagen. Ich bitte herzlich, sagen Sie ja.«
    »Ich nehme Ihre Einladung an, Herr Parvisi.«

    Ein großer Reisewagen holpert, vom Kuhmarkt kommend, durch das San-Thomas-Tor. Vorbei an der Kirche der Patres von San Rochus, entlang den Hafenbefestigungen, erreicht er bald die Vorstadt San Pietro d Arena.
    Jetzt zügelt der Kutscher die vier Rosse nicht mehr. Sollen sie eilen und dahinschießen, um so besser, desto schneller wird man am der Reise sein. Nun ist es auch gleichgültig, welchen Lärm der Wagen verursacht. In Genua mußte jedes Geräusch vermieden werden; das es nicht ganz gelang, liegt nicht an seiner mangelnden Fahrkunst, sondern an dem Katzenkopfpflaster der Stra-
    ßen. Gott sei Dank, den Herrn hat das nicht gestört.
    In flotter Fahrt geht es nun nordwärts, hinauf in die Berge des Ligurischcn Apennin. Im Mondschein glänzt an der Kutsche das Wappen Gravellis. Neben dem Fahrer auf dem Bock sitzt Camillo. Im Wagen selbst befindet sich nur der Bankier. Ist das Gravelli, dieser schäbig gekleidete Mann? Nicht eher einer der Räuber und Wegelagerer aus der Umgebung Genuas? Den langen, immer mit äußerster Sorgfalt gepflegten Bart hat er unter den Rock geknöpft.
    Das Fenster des Wagens wird herabgelassen. Gravelli beugt sich heraus und blickt die Straße zurück.
    »Gut, gut«, murmelt er vor sich hin und verschwindet wieder im Innern der Kutsche. Er hat gesehen, was er wollte: Ein zweiter Wagen folgt einige hundert Meter zurück.
    Während die Pferde des ersten Gefährts in gleichmäßiger Gangart dahineilen können, ist der Lenker des zweiten eifrig bemüht, den befohlenen Abstand zu halten und der Anweisung nachzukommen, nie außer Sicht- und Rufweite zu bleiben. Deshalb spornt er die Tiere an, wenn sich die Straße in Kehren die Berge hinaufwindet, zügelt sie jedoch wieder, sobald der vorausfahrende Wagen von neuem erblickt wird.
    Die Insassen sind große kräftige Männer. Den Gesprä-
    chen nach zu

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