Unter Korsaren verschollen
Häuschen befindet, an dessen Tür Benelli damals pochte. Der Bankier besitzt ein großes palastarti-ges Haus an einer der Hauptstraßen Genuas, unweit der Ponte di Legna, so wie es sich für einen Mann seiner Bedeutung und seines Reichtums geziemt. Dort empfängt er seine Geschäftsfreunde. Hier aber, in dem un-scheinbaren Häuschen, das durch Schuppen und Abstell-gebäude, unter denen sich ein unterirdischer Gang hinzieht, mit dem anderen verbunden ist, hat er seine Privat-räume. Kleine Zimmer sind es mit alten Möbeln, dazwischen schwere Silbergegenstände, wahllos zusammen-gekauft, ohne Sinn für Formen, nur eben, damit auch hier der Reichtum zum Ausdruck kommt. Der mit allen Gepflogenheiten Gravellis vertraute Benelli hatte seinen Weg durch die dunkle Gasse genommen, weil er sicher war, sonst keinen Einlaß zu finden. In der Stadt kennt man das Häuschen nur als die Wohnung des Dieners, der keinerlei Anhang oder Freunde besitzt und nie Gäste zu empfangen genötigt ist. Außer dem Abgesandten des Deys hat kein Fremder jemals Zugang zu Gravellis Pri-vatwohnung erhalten.
Vor einer schweren Eisentür machen Herr und Diener halt. Der Hausherr zieht aus einem Lederbeutel, den er auf der Brust trägt, zwei Schlüssel hervor, mit denen er die doppelt gesicherte Tür öffnet.
Dumpfe Luft schlägt den Eintretenden aus dem Gewöl-be entgegen. Der Raum ist vorzüglich ausgemauert und enthält außer einem Tisch an der Rückseite nichts als ein Gestell mit verstaubten Weinkrügen.
Ohne eine Anweisung abzuwarten, beginnt der Diener einige der Behälter von ihren Plätzen zu nehmen. Eigen-artigerweise hinterlassen seine Finger keine Spuren darauf. Die dicke Staubkruste ist künstlich angebracht. Ein fremder Besucher könnte niemals feststellen, ob die Ge-fäße oft berührt werden.
Während Camillo mit seiner Arbeit beschäftigt ist, kramt der Bankier aus den Falten seines Überrockes einen weiteren Schlüssel hervor. Nur ganz scharfen und wissenden Augen verraten kleine Anzeichen an dem freigelegten Mauerstück, daß hier eine geheime Tür vorhanden ist. Hinter einem Teil des Gestells befindet sich der Geheimtresor Gravellis. Nicht viel von seinem Vermögen hat der Bankier hier verborgen, trotzdem ist es beträchtlich.
Nur zwei Menschen kennen das Geheimnis des alten Hauses: Gravelli selbst und der Diener. Nicht einmal Pietro ist eingeweiht. Camillo hat den Keller vor vielen Jahren in monatelanger Arbeit ausgebaut. Das kunstvoll gearbeitete Schloß ist in Teilen von verschiedenen Handwerkern der Stadt gearbeitet und von dem Bankier selbst zusammengesetzt worden.
Camillo war einst in schwere Schuld verstrickt. Vor der harten Sühne, die ihn getroffen hätte, wäre sein Verbrechen bekanntgeworden, hatte ihn sein Herr bewahrt, ihn aber zugleich mit unzerreißbaren Fesseln an sich gekettet. Gerade einen solchen Mann brauchte der aufstreben-de Gravelli. Obwohl das Vergehen längst verjährt ist, verbleibt der Alte noch immer in der Gewalt des Finanzmanns. Es wäre auch für Camillo zu spät, nun noch ein Leben nach eigenem Wunsch und Willen zu beginnen. Er ist froh, ohne viele und schwere Arbeit leben zu können. Man verlangt wenig von ihm, die paar Handgriffe zur Bedienung des Herrn und dann und wann einmal einen besonderen Dienst, über den geschwiegen werden muß. Der Diener ist nicht sonderlich klug, aber gerissen. Bald hatte er herausbekommen, daß Gravellis Geschäfte sich von denen der anderen Kaufleute unterscheiden. Es kümmert ihn nicht. Er weiß es und beläßt es dabei. Würde er reden, dann gäbe er selbst keinen armse-ligen Bajocco mehr für sein Leben. Aber er denkt nicht daran, von seinem Wissen andere zu unterrichten, wagt auch keine Andeutung dem Herrn gegenüber. Einen Gravelli kann er nicht erpressen, so meint er.
»Zwei Beutel«, befiehlt der Bankier, nachdem er das Geheimfach geöffnet hat.
Sorgfältig werden die Siegel der zugereichten Leder-hüllen geprüft, obwohl kein Zweifel besteht, daß sie unbeschädigt sind. Wer sollte auch hinter das Geheimnis gekommen sein? Benelli? Unmöglich, soweit reicht auch dessen Macht nicht.
Der Diener hat den Leuchter aufgenommen und geleitet seinen Herrn hinüber zu dem Tisch am Ende des Kellers.
Sorgfältig löst Gravelli die Verschnürungen, greift in einen der Beutel. Ein bezaubernder Klang ertönt. Licht fällt auf Goldstücke. Die Augen der Männer glühen.
Camillo kehrt sich ab. Nicht blenden lassen von diesem glitzernden, gleißenden, lockenden Metall!
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