Unter Korsaren verschollen
verkünden: strahlend, glücklich lächelnd, daß er sie erfahren und sofort zu seinem Chef gebracht hat.
»Nun?« Oben – unten, unten – oben. Was wird es jetzt sein?
»Algier ist gefallen!« Wie dürftig das klingt; aber man kann nicht anders, muß die kürzeste Form finden, um so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone entweichen zu können.
»Herein mit Euch! Schnell, schnell! Wein, Camillo, aber spute dich! Nehmt Platz! Der Teufel soll Euch holen, mein Junge, wenn Ihr Eure Ohren nicht genug ge-spitzt habt und falsche Nachricht bringt!«
Trotz dieser wenig verlockenden Einladung Gravellis wird die Unterredung doch zu einer reinen Freude für den armen Sekretär. Keine Zurechtweisung erfolgt, wenn er zu ausschweifend berichtet, mit starken Farben die nackte Tatsache »Algier ist gefallen« ausschmückt.
Ab und zu genügt es dem Finanzmann nicht einmal.
Dann muß wiederholt werden, andere Redewendungen, bessere Worte sind erforderlich.
Sogar das Glas erhebt der Chef und stößt mit seinem Angestellten an, bedient ihn selbst. Das ist ein anderer Gravelli, ein Mensch, wie man ihn noch nicht gekannt hat.
Ob er, der Sekretär, einige Stunden am Abend hier mit ihm arbeiten wolle, wird gefragt.
Natürlich, selbstverständlich! Es wird ihm ein Vergnü-
gen und eine Ehre sein, mit dem Herrn so vertraut in diesem Raum schaffen zu dürfen. Seine ganze Kraft ge-hört dem Hause Gravelli. Seine Frau, die Freunde, mit denen er einmal ausgehen wollte, werden die Wichtig-keit des Rufes einsehen und ihn entschuldigen.
»Noch ein Gläschen, mein Lieber?« fragt der Bankier und gießt auch schon ein. »Ein feiner Tropfen, fließt wie Feuer durch die Adern. Er spornt an, beflügelt die Gedanken, gebiert…« Aber da schweigt er.
In einem Zuge leert er sein Glas, erhebt sich.
Die Unterredung ist beendet. Am Abend wird sie fortgesetzt werden und sicherlich noch manches Überraschende bringen. Man ist plötzlich dem Chef des Hauses, dem gestrengen Herrn, sehr nahegekommen.
Einige Goldstücke werden dem Überbringer der guten Nachricht zugesteckt. Es ist das erstemal, daß Gravelli einem seiner Leute aus Freude ein Geschenk macht.
Oben – unten, unten – oben. Die Zukunft darf und wird nur noch aus dem Oben bestehen. Der Dey und sein Teufel Benelli sind erledigt. Damit ist der verhängnisvolle Vertrag gelöst. Nach dem Dunkel der letzten Monate scheint nun die Sonne in blendendem, unwirklichem Glanze – wie Gold. Gravelli lächelt. Gold. Das wird aus dem Untergang der Türkenherrschaft in Nordafrika gezogen werden. Die Verluste sind schon jetzt so gut wie wettgemacht.
Und der Reichtum löscht alles Gewesene aus.
Der Bankier braucht sein geheimes Hauptbuch nicht zu Rate zu ziehen. Nicht mehr. Das Kaufmannshirn arbeitet wieder fehlerfrei.
Vergeßlich, sagte der Abgesandte des Herrn der Berge, hat er ihm vor kurzem ins Gesicht zu schleudern gewagt.
Alt nannte er ihn. Wenn etwas nicht vergessen wird, dann werden es diese Beleidigungen sein, und wenn Jahre darüber vergehen sollten, bis der Bursche und sein verräterischer Hauptmann gefaßt werden können. Vorerst gilt es, einigen der windigen Hunde, die ihm die Versicherung der »Parma« abgepreßt haben, die Kehlen zuzuschnüren. Ihr Wissen oder Ahnen um eine Sache, die zu wissen und ahnen keinem der Kleinen ansteht, wird ihnen teuer zu stehen kommen. Wie ist es anzufangen? Gold öffnet alle Zellentüren, Gold kann sie auch für immer hinter Gefangenen schließen. Lange Ohren, eigenes Denken ist schon manchem schlecht bekommen.
Nun, also.
Durch Mittelsleute wird man ihnen Geschäfte anbieten, ganz ehrliche, redliche Geschäfte, die sie sicherlich nicht ablehnen. Große Gewinne stehen in Aussicht. Kann da ein Kaufmann nein sagen? Daß die Geschäfte einen am Ende mit den Gesetzen in Konflikt bringen, wird ihnen keiner ansehen.
Der Bankier Gravelli aus Genua wird die Gelegenheit benutzen, dem neuen Herrn der Hafenstadt, Seiner Majestät dem König von Sardinien, zu dessen Krone ja nun seit dem Abzug der Franzosen die alte Republik gehört, seine Ergebenheit zu bekunden und die Verbrecher einer gerechten Strafe zuzuführen. Damit wird dann alles Gerede verstummen müssen. Einem so um das Wohl des Königreichs besorgten Bürger Genuas, nun gar, wenn es ein Agostino Gravelli mit seiner großen finanziellen Macht ist, kann man nicht anders danken als mit der Ernennung zum Hofbankier.
Der kalte Rechner hält den Atem an. Zukunftsaussichten eröffnen sich, die Gewinn,
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