Unter rauschenden Palmen
auch eine Frau wie Clarissa auf Rosemont wie lebendig begraben fühlen? Er lächelte bitter.
Clarissa zog sich ihren Hausmantel an, ging auf die Terrasse und legte sich auf eine Polsterliege.
Es wehte ein leichter, aber ständiger Nordostwind, der zahlreiche Drachenflieger angelockt hatte. Auch die Brandung war ideal, und so wimmelte es auf dem Wasser nur so von Wellenreitern.
Clarissa wunderte sich oft, wo diese Menschen alle so plötzlich herkamen und wohin sie dann wieder entschwanden. Ganz egal, ob Werktag, Sonntag oder Feiertag, waren die Wetterverhältnisse gut, waren Strand und Hang bevölkert. Die meisten dieser Wassersportfanatiker, bei weitem jedoch nicht alle, waren junge Menschen mit langen Haaren und sahen aus wie Hippies. Sie kamen in verbeulten Autos oder auf alten Fahrrädern, ihr Board unter den Arm geklemmt, und hatten nur ein Ziel: den Wellen zu folgen.
Clarissa seufzte und wünschte plötzlich, auch ihr Leben hätte nur ein Ziel: ihr Kind aufzuziehen.
Natürlich könnte ich mir das leisten, dachte sie. Nichts hinderte sie daran, genau das zu tun, was sie wollte, denn sie war finanziell und familiär völlig unabhängig. Aber jedes Kind brauchte einen Vater - das wurde jedenfalls behauptet. Jerome war Sean ein guter Vater. Die Frage war nur, ob ihm ein Kind nicht reichte.
Ihre Gedanken schweiften Zurück zu der Szene am Fluss. Sie hatte ihm von dem Baby erzählen wollen, doch er war ihr zuvorgekommen und hatte ihr Schmeicheleien gesagt.
Schmeicheleien, die sie abgelenkt und bedrückt hatten. Vermochte sie Jerome denn wirklich nur durch ihr Äußeres zu fesseln? Wie würde er reagieren, wenn sie nicht mehr schlank und zerbrechlich war, sondern unförmig und behäbig wurde, wenn sie nicht mehr aussah wie eine kleine Fee oder verführerische Nixe?
Außerdem hatte er schon einen Sohn, ein weiteres Kind würde sein Leben nur komplizierter machen. War nicht deshalb Jeromes Wahl gerade auf sie gefallen, weil sie keine Ansprüche an ihn stellte, weil sie ihre Karriere einer Ehe vorzog? Nur die Tatsache, dass sie nicht genug Zeit für ihn hatte, schien er als gravierenden Nachteil zu empfinden.
Unruhig bewegte sie den Kopf. Und dann Sean! Er hatte schnell erkannt, dass Jerome und sie mehr als Freundschaft verband. Warum glaubte Sean, dass sein Vater einsam und traurig wäre, wenn Serena wieder heiraten würde? Weil Jerome dann einsehen musste, dass er Serena endgültig verloren hatte?
Serena Hewitt war und blieb ein großes Problem für Clarissa, eins, das sie in absehbarer Zukunft nicht würde lösen können. Ein anderes Problem dagegen konnte sie lösen: einen Partner für die Kanzlei finden. Clarissa ging mit dem festen Vorsatz ins Bett, in der folgenden Woche sofort mit der Suche zu beginnen.
Das Schicksal meinte es gut mit Clarissa. Als sie am Montagmorgen, das Schlüsselbund in der Hand, zu ihrer Kanzlei kam, wartete schon jemand vor der Tür.
"Sue - das darf doch nicht wahr sein!"
"Doch, es ist wahr." Sue Simpson, Clarissas ehemalige Kommilitonin und einzige Jugendfreundin, umarmte sie he rzlich. Sue war eine kleine, drahtige Frau, die nur zwei Forderungen ans Leben stellte: Sie wollte Anwältin sein und surfen. Im Moment sah sie ganz nach einer Surferin aus: die Haare im Nacken zusammengebunden, die Haut tief gebräunt, lässig gekleidet und Trekkingsandalen an den Füßen.
"Wie ...", begann Clarissa.
"Ich bin auf der Reise nach Brisbane und habe in Lennox Head nur Station gemacht, weil meine Eltern hier gerade in Urlaub sind. Als ich die Brandung gesehen habe, war mir sofort klar, dass ich hier einfach noch ein paar Tage bleiben muss. Meine Eltern haben ein Ferienhaus am Strand gemietet, und ich wollte gerade Zeitung und Brötchen holen, als ich dein Praxisschild entdeckte. Also habe ich auf dich gewartet."
Sue blickte sich bewundernd um. "Eine eigene Praxis in diesem noblen Gebäude! Und ich habe weder einen Job noch Geld."
Clarissa lachte. "Aber bestimmt nur, weil du es so wolltest."
Sue zwinkerte vergnügt. "Richtig. Ich habe mir einfach ein Jahr frei genommen, um zu surfen, und war an den schönsten Stranden Australiens. Aber das Jahr ist vorbei, und ich habe kein Geld mehr. Hast du nicht zufällig einen Job für mich? Nein, das war nur Spaß. Ich habe nächste Woche schon etliche Vorstellungstermine in Brisbane."
"Sue, komm herein. Dich schickt der Himmel, denn du bist die Lösung meiner Probleme."
Eine halbe Stunde später war alles unter Dach und Fach. Sue Simpson war
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