Unter rauschenden Palmen
eine talentierte und ehrgeizige Anwältin, wenn man das auf den ersten Blick auch nicht vermutete, sondern sie eher für eine Aussteigerin hielt.
"Wir sollten eine Probezeit von drei Monaten vereinbaren, denn vielleicht ist diese Art Kanzlei nicht das, was du dir vorgestellt hast. Mit einer großen Sozietät in Brisbane lässt sich meine Praxis nämlich nicht vergleichen. Bist du dir dann ganz sicher, dass du mit dem, was ich dir bieten kann, zufrieden bist, können wir über einen festen Vertrag oder auch eine Partnerschaft sprechen."
"Clarissa, ich weiß genau, dass dieser Job ideal für mich ist. Ich habe hier eins der schönsten Surfreviere direkt vor der Haustür und muss mir eine Partnerschaft nicht erst mühsam erarbeiten, wie es in Brisbane der Fall sein würde. Außerdem bin ich in dieser Gegend aufgewachsen und habe hier gute Kontakte, die uns bestimmt Aufträge bringen."
"Schön. Aber ich muss dich warnen, ich möchte in Zukunft etwas kürzer treten."
"Das kann ich verstehen, nachdem du dies hier alles allein aufgebaut hast! Allein die Vertretung der Hewitts muss eine Riesenaufgabe gewesen sein. Wie hast du das bloß alles geschafft?"
"Du kennst die Hewitts?"
" Jeromes Tante war meine Lehrerin und hat mich als Schülerin ganz schön schikaniert." Sue lachte fröhlich. "Nein, so schlimm war es nicht. Wir sind mit den Hewitts schon bekannt, seit ich mich erinnern kann."
"Oh."
"Täusche ich mich, oder bist du gerade nicht sehr gesprächig, was die Hewitts angeht?" Sue sah Clarissa fragend an. "Ehrlich gesagt, bin ich mit Serena auch nie so gut ausgekommen.
Sie hielt sich stets für etwas ganz Besonderes und ..."
"Die beiden sind inzwischen geschieden. Ich habe Jerome vor Gericht vertreten."
Sue pfiff durch die Zähne. "So ist das also!"
"Aber das ist noch längst nicht alles ..." Clarissa erzählte ihrer Freundin die ganze Geschichte.
"Clarissa!"
"Ja, ich weiß Sue. Es ist ein Witz, dass so etwas einer Frau wie mir passieren konnte."
"Kein Wunder, dass du so schön und strahlend aussiehst." Sue stand auf, ging um den Schreibtisch herum und nahm ihre Freundin ganz fest in den Arm.
Clarissa brach plötzlich in Tränen aus, lachte aber gleichzeitig. "Du bist der erste Mensch, dem ich es erzählt habe. Sonst weiß es nur noch meine Ärztin."
"Wann willst du es Jerome sagen?"
"Am richtigen Ort, zur richtigen Zeit. Ich bin mir nur nicht sicher, wie er es aufnehmen wird."
"Clarissa ... Nein, ich lasse es bleiben, ich gebe dir keine guten Ratschläge, so gern ich es auch möchte. Aber auf eins kannst du dich verlassen, egal, was passierst, du hast jetzt eine Freundin, die dich nicht im Stich lässt. Wird es ein Junge oder ein Mädchen?"
"Ich weiß es nicht. Es gibt so vieles, von dem ich nicht den blassesten Schimmer habe."
"Dann musst du es eben lernen. Du hast dein Examen schließlich nicht umsonst mit Auszeichnung bestanden, Clarissa."
Gleich am folgenden Morgen wurde ein Ausweichraum für Sue als Büro eingerichtet, Telefon und Computer wurden angeschlossen und eine Anzeige für eine Sekretärin aufgegeben.
Sue fand auch Lucys Billigung. "Schön, dass Sie eine Frau genommen haben", vertraute sie Clarissa an. "So bleiben wir Mädels unter uns." Lucy war fünfundfünfzig.
Die drei Wochen, die Jerome in den Staaten war, flogen nur so dahin. Das lag zum großen Teil daran, dass Clarissa jetzt nicht nur eine Partnerin, sondern auch eine Freundin hatte, mit der sie ihre Probleme besprechen konnte. Jerome rief nicht an, aber das hatte Clarissa auch nicht erwartet.
May jedoch ließ in der Woche vor seiner Rückreise von sich hören. Sean hatte die Windpocken bekommen und würde bis zur völligen Genesung bei seiner Mutter bleiben.
Nach allem, was Sean ihr anvertraut hatte, war Clarissa froh, dass aus dem geplanten Besuch nun nichts wurde. Dennoch tat ihr der kranke Sean Leid, und sie suchte alle Geschäfte ab, bis sie eine wirklich interessante CD-ROM gefunden hatte, die mit in das Päckchen sollte, das May für ihn zurechtmachte.
Aber es gab noch einen anderen Grund, weshalb sie froh war, May und Sean nicht unter die Augen treten zu müssen. Sie war nämlich jetzt im vierten Monat schwanger, und ihre Figur war nicht mehr gertenschlank. Mit der richtigen Garderobe ließ sich das zwar noch vertuschen, aber lauter neue Kleider und ein anderer Stil waren an sich schon verräterisch.
Sie spürte Sues prüfenden Blick, als sie das erste Mal in einem eleganten, aber untaillierten blauen Leinenkleid
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