Unter Trümmern
Aussage mit einem neuen Lachen.
„Ja, sieh doch mal in den Spiegel.“ Mit diesen Worten sprang sie auf und stellte sich neben Dorle, befeuchtete ihre Hände und fuhr mit den nassen Fingern durch ihr Haar, modulierte es, imitierte ein Schminken der Lippen, raffte ihren Rock ein Stück nach oben, ging drei Schritte zurück, wiegte ihren Kopf, während sie Dorle betrachtete und stieß dann einen bewundernden Pfiff aus.
„Hör doch auf!“, drehte sich Dorle weg.
„Du wirst ja rot!“ Franzi konnte sich vor Lachen fast nicht mehr halten. „Wie ein Backfisch.“
Dorle fuhr sich schnell mit den Händen durch die Haare und brachte, was Franzi so kunstvoll zurechtgelegt hatte, wieder durcheinander.
Nun begann Franzi ihr abermals die Haare zu frisieren, es wurde ein wildes Durcheinander, Hände hielten einander fest, stießen sich fort, griffen in fremde Haare und plötzlich lagen die beiden Frauen auf dem Boden, rollten ineinander verkeilt umher, bis sie einhielten und zusammen laut lachten.
„Komm mit!“, bat Franzi, und es hatte fast etwas Verliebtes.
„Wenn ich dich nicht hätte“, sagte Dorle und drückte sie noch einmal fest, bevor sie sich von ihr löste und aufstand.
Eine knappe halbe Stunde später waren die beiden Frauen auf dem Weg in die Stadt zum Dom, wo die Messe zur Gründung der Universität gelesen wurde. Franzi war ganz aufgeregt und trieb Dorle zur Eile an. Auf halbem Weg begann es zu regnen, aber das schien ihr nichts auszumachen. Sie zeigte Dorle ständig etwas.
„Guck mal, da, überall Fahnen. Alles ist mit grünen Girlanden geschmückt.“
Dorle nahm ein Stück Pappe, das sie am Straßenrand fand, und hielt es ihnen beiden über den Kopf. Doch Franzi sprang so wild hin und her, dass sie bald schon nass war.
„Du warst doch gerade erst erkältet“, mahnte Dorle, aber Franzi hörte nicht auf sie. Sie kam Dorle wie ein kleines Kind vor, das sich über alles freuen konnte. Endlich hatten sie den Marktplatz und den Dom erreicht, der wie durch ein Wunder dem Wüten des Feuers nach der Bombardierung standgehalten hatte.
„Unser Dom“, rief Franzi in dem Brustton tiefster Überzeugung, als sie über den Platz liefen und die Türme sahen.
Bald erkannten sie, dass sie nicht die Einzigen waren, die das Ereignis angelockt hatte. Vor dem Dom drängten sich die Menschen und suchten Einlass in das Gotteshaus.
Die beiden stellten sich in die Schlange und in der Aufregung, die alle erfasst hatte, war Franzis Lebendigkeit besser zu ertragen. Sie ergriff Dorles Hand und hielt sie, damit sie sich in dem Gedränge nicht verloren.
Während sie langsam dem Eingang näher kamen, wurde Dorle Zeugin eines Gesprächs, das sie aus der feierlichen Stimmung riss.
„Hast du gehört?“, raunte ein großer, kräftiger Mann einem anderen, kleineren zu. „Letzte Woche gab’s ne Razzia in Mombach.“
„Und?“, fragte der andere. „Gibt’s doch ständig. Haben sie denn wenigstens was gefunden?“
Der andere schüttelte den Kopf. „Nichts. Gar nichts. Ein Freund von mir ist bei der Polizei. Und er meint, dass die ganze Aktion verraten worden sei.“
„Haben die denn einen Verdacht?“
Der Große zuckte mit der Schulter. „Manche glauben, dass ein paar Leute von der Polizei mit den Schwarzmarkthändlern zusammen arbeiten.“
„Wer kann’s ihnen auch verübeln. In diesen Zeiten muss doch jeder sehen, wo er bleibt.“
Dorle hätte gerne mehr gehört, aber sie wurde zur Seite gedrängt, hatte Mühe, nicht den Kontakt zu Franzi zu verlieren und schon bald waren die beiden Männer völlig aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden.
Im Innern fanden sie einen Platz ganz am Ende des mächtigen Gebäudes. Franzi war so mit all dem, was um sie herum geschah, beschäftigt, dass sie nicht mitbekam, dass ihre Freundin völlig in sich gekehrt war.
Sie war es gewesen, die den Erfolg der Polizei verhindert hatte. Sie war sich sicher, dass es sich um die Maschinenhalle in Mombach drehte. Und jetzt saß sie im Dom, direkt unter den Augen des Herrn, und musste sich anhören, dass sie Verbrechern geholfen hatte. Und ihr wurde bewusst, dass sie seit Rolfs Tod auch am Sonntag keine Messe mehr besucht hatte. Den anderen Frauen in der Gemeinde blieb so etwas nicht verborgen, es würde sicher über sie gesprochen werden. Fast schien es ihr ein Glück, dass sie allen Gesprächen aus dem Weg gegangen war.
Erschrocken fuhr sie auf, als Franzi sie anstieß.
„Hast du geschlafen, Dorle? Los, es geht rauf zur
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