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Unter Trümmern

Unter Trümmern

Titel: Unter Trümmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Heimbach
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wo sie unter einem Balken verschwand.
    Die Fenster in dem Haus waren noch immer dunkel. Von der Straße drangen vereinzelte Geräusche zu ihm. Koch zog seine Knie an den Körper. Der Schmerz in seinem linken Oberschenkel war fast abgeklungen, nur ein feines Ziehen war geblieben. Das Blut über seinem Auge war verkrustet. Er war durstig, sein Mund trocken.
    Er musste aus diesem Hof raus, bevor die Bewohner aufwachten und ihn entdeckten. Er stützte sich mit beiden Händen ab und erhob sich. Die ersten Meter fiel ihm das Gehen schwer. Die Kühle der Nacht hatte seine Knochen und Muskeln steif werden lassen. Vorsichtig ließ er erst seine Arme rotieren, dann sein gesundes rechtes Bein. Mit dem linken war er besonders vorsichtig. In der Blechschale, hinter der die Katze sich versteckt hatte, war der Boden mit Wasser bedeckt. Koch befeuchtete seine Hände, fuhr sich durch sein Gesicht und benetzte seine Lippen. Zu trinken wagte er nicht.
    Zwischen Haus und Scheune entdeckte er einen etwa halben Meter breiten Spalt. In den zwängte er sich hinein. Am Ende des Ganges erkannte er ein kleines Tor. Seitwärts an der Wand entlang schleifend bewegte er sich voran, verfing sich in einem vorstehenden Nagel, der sein Jackett aufriss. Er unterdrückte einen Fluch, biss sich auf die Zähne, als sein Bein wieder zu schmerzen begann, und stellte sich, als er das schmale Tor endlich erreicht hatte, auf die Zehenspitzen und blickte über das Tor auf die Straße, die an dieser Stelle so schmal war, dass ein Auto oder ein schmales Pferdefuhrwerk gerade so hindurch passen würden. Koch sah sich nach beiden Seiten um. Rechts erkannte er die Hauptstraße. Es war ruhig, kein Mensch war unterwegs. Er wartete noch einen Moment, schob den angerosteten Riegel, der jämmerlich quietschte, zurück und verließ sein Versteck, blickte sich nochmals kurz um und wandte sich von der Hauptstraße weg.
    Durch die schmalen Gassen von Mombach schlich sich Koch bis zum Ortsausgang, an den Hauswänden entlang und sah sich dabei immer wieder um. Ein alter Mann, der einen Karren hinter sich herzog, brummte ihm einen Gruß zu, ohne ihn anzuschauen.
    An der Ortsgrenze hielt Koch inne und verschnaufte. Er verfluchte sich für seine Dummheit, alleine am Abend losgezogen zu sein. Ein dämlicher Fehler, nur weil er so ungeduldig war. Er musste seine Ungeduld besser in den Griff bekommen. Ein nächstes Mal käme er vielleicht nicht so glimpflich davon.
    Die wenigen Menschen, die unterwegs waren, nahmen keine Notiz von ihm. Für sie war er einer von ihnen, auf dem Weg, um etwas Essbares oder Zigaretten zu organisieren. Ohne Probleme erreichte er den Bismarckplatz. Hier setzte er sich auf einen Stein, weil sein Bein sich wieder meldete und wartete, bis die nächste Straßenbahn kam, mit der er bis zum Hauptbahnhof fuhr. Für den Rest der Strecke bis zur Polizeidirektion benötigte er mehr als eine halbe Stunde, wo gewöhnlich eine Viertelstunde ausreichte. Zum Glück war es noch sehr früh und keiner der Kollegen anwesend. Der Pförtner sah ihm mitleidig hinterher. Die Treppe war eine Qual, jede Stufe musste er mit beiden Füßen nehmen.
    Erleichtert ließ sich Koch in seinem Büro auf den Schreibtischstuhl fallen und gegen seine Absicht schlief er sogleich ein. Er war völlig durcheinander, als ein heftiges Klopfen ihn aufschrecken ließ. Siggis Gesicht erschien im Türrahmen. Langsam erhob er sich aus seinem Stuhl. Instinktiv belastete er nur sein rechtes, gesundes Bein.
    „Guten Morgen, Herr Koch“, versuchte der Assistent seine Überraschung zu überspielen, aber das gelang ihm nicht. Neugierig sah er zu seinem Chef herüber.
    „Was gibt’s?“, entgegnete Koch und strich reflexartig sein Jackett glatt.
    „Ich glaube … Sie brauchen einen Kaffee.“
    Koch nickte und ließ sich in den Stuhl zurückfallen. Während Siggi die Tür von außen schloss, sah er auf seine Uhr. Kurz nach acht. Wie lange hatte er geschlafen? Der Schmerz in seinem Bein hatte nachgelassen, aber nun spürte er ein Ziehen in seinem Rücken.
    Behutsam stand er auf und ließ seine Arme kreisen, beugte sich ein klein wenig vor, bis er das Gefühl hatte, dass sich sein Rücken entspannte und inspizierte seine Kleidung. Seine nächtliche Eskapade war nicht zu übersehen. Sein Jackett, das er schon in Frankreich besessen hatte, hatte in Höhe der Schulter einen langen Riss und die Hose war noch voller Staub. Aus seiner Schublade nahm er einen kleinen Spiegel. Er hatte Ränder unter den Augen,

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