Unter Trümmern
seine Haare standen ab und auf seiner Stirn und neben der linken Schläfe klebte Blut.
Er humpelte über den Flur zur Toilette, wo er erst mehrere Handvoll Wasser trank und sich anschließend das Gesicht wusch. Das kalte Wasser belebte ihn. Als er zurück in sein Büro kam, wartete dort schon Siggi mit einer Tasse, aus der heißer Dampf zur Decke emporstieg.
Es war wieder der scheußliche Ersatzkaffee, an den er sich nie würde gewöhnen können, aber an diesem Morgen schmeckte er ihm und er begann sich wieder halbwegs wie ein Mensch zu fühlen.
„Waren Sie gestern Abend unterwegs, Herr Koch? Einen drauf gemacht?“ Er wollte männlich klingen, wie unter Gleichgesinnten, aber aus Siggis Mund klang das falsch.
Koch wehrte mit einer Handbewegung ab. „Nix Dolles, Siggi. Nicht der Rede wert. Bringen Sie mir doch noch einen Kaffee.“ Er kramte in seiner Tasche und drückte dem Jungen ein paar Münzen in die Hand.
„Auch einen für Sie. Und irgendetwas zum Beißen.“
Koch genoss die Ruhe und den letzten Schluck aus seiner Tasse.
Als Siggi zum dritten Mal an diesem Morgen das Büro betrat, war sein Vorgesetzter wieder eingedöst. Er räusperte sich. Kochs Schlaf war dieses Mal so leicht, dass er sofort aufwachte.
„Danke!“ Er nahm die dargebotene Tasse, blies die Oberfläche kühl und trank einen Schluck. Erst jetzt erkannte er, dass Siggi ihm auch ein Glas Wasser mitgebracht hatte. Dieses Mal nickte er zum Dank und leerte das Glas in einem Zug.
„Schlägerei?“, fragte Siggi.
Koch wiegte seinen Kopf hin und her.
„Wollen Sie allein sein?“
Koch nickte.
„Was kann ich machen?“
Koch überlegte einen Moment. „Versuchen Sie noch mehr über Glodkowski rauszukriegen. Mit wem er früher verkehrt hat, wen er kennt, alle Kontakte, auch ins Rotlichtmilieu.“
Dieses Mal nickte Siggi. „Mach ich!“, sagte er und verließ das Büro.
Kochs „Danke!“ hörte er schon nicht mehr.
Der Kommissar war jetzt endlich wach und das Rattern in seinem Kopf begann nachzulassen. Die „Hölle“ war ein Bordell. Aber warum hatte der Alte ihn dahin geschickt? Hielt sich Glodkowski tatsächlich dort auf? Oder war er nicht nur Arbeiter und Fahrer bei Brunner, sondern betätigte sich auch als Zuhälter? Und was war das für ein Laden? Dass er illegal war, stand fest. Aber Arnheim konnte er nicht davon erzählen, geschweige denn eine Durchsuchung beantragen. Vielleicht wusste Reuber ja etwas.
Koch war im Begriff aufzustehen, um seinen Kollegen in dessen Büro aufzusuchen, als es an seiner Tür klopfte. Ein junger Mann forderte ihn auf zu Arnheim zu kommen.
Der rümpfte seine Nase, als er seinen Kommissar sah.
„Sie sahen auch schon besser aus, Koch. Zahlt die Polizei so schlecht?“
„Ich bin letzte Nacht überfallen worden“, antwortete er schnell und fragte sich, ob er sich damit nicht noch tiefer hereinritt.
„Überfallen? Warum haben Sie das noch nicht gemeldet? Warum erfahre ich nicht früher, wenn einer meiner Leute überfallen wird? Ich bin Ihr Chef, Koch!“
Sein Blick schwankte zwischen Zorn und Mitleid, ein neuer Blick, wie Koch feststellte.
„Das mache ich ja jetzt.“
Arnheim setzte sich und begann an dem Ende seines Barts zu spielen.
„Wer es war, wissen Sie nicht?“
„Ja.“
„Wie, ja?“
„Ja, ich weiß nicht, wer mich überfallen hat.“ Er konnte einen genervten Unterton nicht verbergen.
Entweder nahm Arnheim ihn nicht wahr oder überhörte ihn.
„Und warum Sie überfallen wurden oder wo es geschehen ist, wissen Sie auch nicht?“
„Ja.“
Arnheim lehnte sich zurück. „Gehen Sie nach Hause, Koch, waschen Sie sich und legen sich ins Bett. Ich brauche gesunde Männer, ausgeschlafene Männer. In Ihrem Zustand sind Sie mir keine Hilfe.“
Was Koch überraschte, war, dass Arnheim nicht mehr gereizt oder verärgert klang. Er hatte etwas Resigniertes in seiner Stimme.
„Danke, Herr Arnheim“, erwiderte Koch, froh, entlassen zu sein und gehen zu können.
Vor seinem Büro lief er Reuber in die Arme.
„Mann, Koch, Sie sehen wie das leibhaftige Elend aus. Was haben Sie denn gemacht?“
„Später, Reuber, jetzt nicht. Kommen Sie nach der Arbeit zu mir. Dann erzähle ich es Ihnen.“
Reuber schmunzelte.
„Was gibt’s da zu lachen?“
„Koch, Koch. Sie müssen unbedingt mal mit zu mir nach Hause kommen. So oft, wie ich bei Ihnen bin, denkt meine Frau schon, ich hätte eine Geliebte.“
Nun musste auch Koch seinen Mund zu einer Andeutung von einem Lächeln
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