Unter Trümmern
weiß, weiß ich von den Mädels. Ich hatte zwei, die dort schon angeschafft haben. Und ich kenne einen Kerl, der dort arbeitet. Aber Koch, ich habe keine Lust, mich mit eingeschlagenem Schädel irgendwo wiederzufinden“, sagte er, als er dessen Blick bemerkte.
„Für den Laden bin ich nicht zuständig, Bresson. Ich will was anderes. Ich brauche Fingerabdrücke von diesem Glodkowski. Ich muss sie mit denen auf der Flasche vergleichen, die wir da gefunden haben, wo Siggi auf den Gleisen abgelegt worden war.“
Bresson lachte. „Sie sind ein Spinner, Koch. Besorgen Sie sich die woanders. Doch nicht in dem Laden. Das Risiko steht doch in gar keinem Verhältnis. Sie lassen sich viel zu sehr von persönlichen Gründen leiten.“
„Das habe ich heute schon einmal gehört.“
„Dann ist vielleicht was dran und Sie sollten es sich zu Herzen nehmen.“
Koch trank einen Schluck und stellte sein Glas zurück auf den provisorischen Tisch. „Und ich würde trotzdem gerne wissen, was Brunner mit der ‚Hölle‘ zu tun hat. Vielleicht können Sie ja die Ohren offen halten. Wenn ich ihn dafür dran kriegen würde …“
„Sie verbrennen sich die Finger, Koch. Was glauben Sie, warum Sie bislang nicht an den Mann rangekommen sind?“
„Ich muss trotzdem …“
„Passen Sie auf! Ich höre mich um. Dafür bleibt das, was ich hier mache, unter uns. Ich kann meine Fotos machen, ohne dass mich jemand behelligt. Ist das klar?“
Koch wägte den Vorschlag nur kurz ab.
„Gut“, sagte er schließlich.
Bressons Antwort war ein Lachen. „Koch, Koch, sehen Sie?“
„Was?“, war dessen verblüffte Erwiderung.
„So schnell sind Sie Teil des Spiels. Sie wollen etwas und sind bereit, dafür Ihre Überzeugung über Bord zu werfen.“
„Das ist doch etwas anderes!“
„Glauben Sie das wirklich? Wo fängt es an, wo hört es auf? Nee, nee, Koch. Genau so funktioniert das. Und Sie sind jetzt in einem Dilemma. Sie brauchen meine Informationen und Hilfe. Ohne die kommen Sie nicht weiter. Dafür gehen Sie diesen Deal ein. Sie klären das eine Verbrechen auf und decken dafür ein anderes. Sie wägen ab: Welches ist das Schlimmere? Und vielleicht haben Sie auch Recht und verhindern wirklich Schlimmeres. Aber die Büchse ist geöffnet.“
Koch schüttete den Rest in seinem Glas in einem Zug in sich hinein und verabschiedete sich.
Am nächsten Morgen regnete es heftig. Vor dem Krieg hätte er an den Hauswänden entlang gehen können, aber jetzt kam man am schnellsten in der Mitte der Straße voran, da, wo die meisten Trümmer weggeräumt waren. Aber schon nach wenigen Metern trat Koch in eine mit Wasser gefüllte Vertiefung. Er fluchte und eilte weiter. Kurz darauf hörte er schnell herannahende Motorgeräusche und bevor er zur Seite springen konnte, war der Wagen schon auf seiner Höhe und eine Fontäne ergoss sich über ihn.
Ein vielstimmiges Gelächter hallte von der Pritsche des Lastwagens, dazwischen französische Sprüche.
„Oh je!“, begrüßte ihn Siggi, als Koch das Treppenhaus der Polizeidirektion betrat. „Sie sollen gleich zum Chef. Soll ich Ihnen einen Kaffee holen?“
„Ja, bitte!“, antwortete er, nahm seinen Hut ab und klopfte ihn sachte gegen eine Wand. Anschließend zog er seinen dünnen Übermantel aus. Er hatte wenig genutzt, sein Anzug war feucht.
Was wollte Arnheim schon so früh von ihm? Vom Regen in die Traufe, dachte er bei sich, fand sein Bonmot ganz gut und ahnte nicht, dass es tatsächlich so kam.
„Koch, guten Morgen. Nein, kein guter Morgen. Ein neuer Fall, eine neue Leiche.“ Arnheim sprang von seinem Stuhl auf, dabei spannte sein braunes Jackett über dem Bauch, dass Koch fürchtete, die Knöpfe könnten abreißen.
„Wie sehen Sie denn aus? Passen Sie nur auf, dass Sie nicht wieder eine Lungenentzündung bekommen.“
Mit diesen Worten hastete er an ihm vorbei zur Tür, riss sie auf und rief seiner Sekretärin zu „Eine Tasse Kaffe für Herrn Koch, nein, zwei, für mich auch“, schloss die Tür wieder und ging an seinen Schreibtisch zurück.
„Setzen Sie sich, Koch, oder, nein, bleiben Sie stehen! So nass wie Sie sind.“
Die Sekretärin brachte den Kaffee und reichte Koch eine Tasse.
„Das wird Ihnen gut tun. Richtiger Bohnenkaffee.“ Er zwinkerte seinem Kommissar verschwörerisch zu. Koch überlegte, ob Arnheim ein Kunde in der „Hölle“ war.
„Mensch, Mensch, Koch. Ich dachte, ich komme in eine gemütliche Stadt, wissen Sie, Weinfeste, Karneval
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