Unter Trümmern
hatte.
„Franzi“, kam es zurück.
Dorle entriegelte das Törchen und die Freundin betrat freudestrahlend den Hof. Am Himmel waren dunkle Wolken aufgezogen.
„Was schaust du so trübe?“, fragte sie.
Dorle winkte ab.
„Ich habe gute Nachrichten“, sagte Franzi, während sie ins Haus gingen. Die ersten Tropfen war gefallen.
„Neubert ist verhaftet worden.“
„Ja?“
„Ja! Man hat einen Ring und eine Kette bei ihm gefunden. Sind bei einem französischen Offizier gestohlen worden.“ Sie zwinkerte ihrer Freundin zu. „Dabei ist auch rausgekommen, dass er ein Nazi war. Die Franzosen haben ihn jetzt richtig in der Mangel.“
Für einen kurzen Moment huschte so etwas wie ein Lächeln über Dorles Gesicht, doch sie verfiel rasch wieder in ihre trübe Stimmung.
„Geh ihn doch besuchen“, forderte Franzi ihre Freundin auf, die wusste, woher deren Stimmung rührte.
„Ich kann nicht“, erwiderte sie, „ich kann es nicht.“
Franzi drang nicht weiter in sie, sie wollte ihr Zeit lassen.
Nach einer Woche nahm sie ihre Arbeit bei Capitaine Jarrés wieder auf. Er hatte einen Boten zu ihr geschickt und sie gebeten, bei ihm vorbeizuschauen. Zuerst dachte sie, dass man sie im Haus des Franzosen verhaften würde, aber sie wagte auch nicht, die Einladung auszuschlagen.
Es war wieder sehr heiß, die Sonne schien und da die Frühernte schon eingefahren war, war die Versorgungslage nicht ganz so miserabel wie vor wenigen Monaten noch.
Im Haus von Capitaine Jarrés öffnete Elaine ihr die Tür und sah sie misstrauisch an, was Dorles Furcht weiter schürte. Sie führte sie ins Wohnzimmer, wo Madame Jarrés schon saß und sie erwartete.
In ihrem gebrochenen Deutsch bat sie Dorle Platz zu nehmen und bot ihr einen Tee an. Dorle war verwirrt.
Nachdem sie beide einen Schluck getrunken hatten, fragte Madame Jarrés sie, ob der Unteroffizier Jean-Luc sie belästigt habe.
Dorle verneinte die Frage.
„Wir haben gedacht, weil Sie nicht gekommen sind. Um die … Essen zu … machen.“
„Mir war übel“, log Dorle, „aber Jean-Luc, der war korrekt.“
„Wollen Sie noch … arbeiten bei uns?“
„Ja, gerne!“, antwortete Dorle.
Sie wusste, dass sie die Arbeit von ihrer Niedergeschlagenheit, die sie in ihrem Haus ständig überfiel, ablenken würde.
Über Franzi erfuhr sie, wenn auch nicht allzu ausführlich, dass sich Koch auf dem Weg der Besserung befand und auch wieder ansprechbar war. Gerne hätte sie ihn besucht, aber noch immer traute sie sich nicht. Sie hatte Angst davor, Verachtung in seinen Augen lesen zu müssen.
Ende August kam Franzi wieder bei ihr vorbei, um ihr bei der Ernte in dem kleinen Garten zu helfen. Es galt so viel wie möglich für den Winter einzulagern. Ein Bekannter von Franzi hatte vorausgesagt, dass der nächste Winter noch härter als der vergangene werden würde, und wer nicht selbst genug Vorräte anlegte, käme in lebensbedrohende Bedrängnis. Dorle tat das als Schwarzseherei ab, aber Franzi hielt große Stücke auf diesen Mann und zwang ihre Freundin mehr oder weniger zur Arbeit in ihrem Garten.
Einige Tage später erhielt sie die Nachricht, dass Hans-Joachim nicht aus russischer Gefangenschaft zurückkehren würde. Er war im Lager an Typhus erkrankt und daran gestorben. Man würde ihn auf einem Soldatenfriedhof irgendwo in Sibirien begraben. Weit weg. So weit, wie ihr Mann für sie in den letzten Jahren gewesen war.
Irgendwie war sie erleichtert und gleichzeitig hatte sie ein schlechtes Gewissen deswegen. Das am nächsten Sonntag zu beichten traute sie sich nicht.
Am 30. August wurde das Land Rheinland-Pfalz gegründet.
„Wir sind jetzt ein eigenes Land?“, fragte Dorle, nachdem sie die Zeitung, die Franzi ihr vorbeigebracht hatte, kurz überflogen hatte. „Und warum ist Mainz Hauptstadt, aber die Regierung in Koblenz?“
„Weil es in Mainz zu wenig Raum gibt, deshalb! Aber es geht voran, Dorle.“ Franzi war unverbesserlich optimistisch.
Die ersten Kommunalwahlen nach dem Krieg gingen an Dorle vorbei.
Drei- bis viermal die Woche ging sie zu Capitaine Jarrés, am Sonntag in die Heilige Messe und mied außer zu Franzi jeden Kontakt. Paul Koch versuchte sie aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Er wollte sicherlich nichts mit der Frau zu tun haben, die für seine schwere Verletzung verantwortlich war. Oft saß sie in der Küche und hörte Radio, sofern es Strom gab.
Koch war mehrere Tage ohne Bewusstsein gewesen. Die Kugel aus Glodkowskis Waffe hatte seine Lunge
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