Unter Verdacht
Aufregung sie empfunden hatte, als sie von Karens Verhaftung hörte? Und dass sie, nach ihren Gesprächen mit Gregor und Wollin, quasi in einer Art Kurzschlusshandlung, zu ihrem Vater gefahren war.
»Hören Sie einfach, was mein Vater Ihnen zu sagen hat.«
Werner Mehring, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, ging nun auf Karen zu. »Guten Morgen, Frau Candela.«
Er erklärte ihr, dass er zunächst einmal vorhatte, ihren Haftbefehl außer Vollzug zu setzen.
»Und das geht?« fragte Karen.
»Ja, das wird häufig so gemacht.«
»Aber Marcus Wollin, das ist mein Firmenanwalt, hat nichts von einer solchen Möglichkeit erwähnt.«
»Dann sollten Sie davon ausgehen, dass er entweder ein schlechter Anwalt ist oder gar gegen Sie arbeitet. Beides ist nicht zu Ihrem Vorteil. Und wenn ich Letzteres nachweisen kann, wird Herr Wollin sehr große Schwierigkeiten mit der Anwaltskammer bekommen.«
»Aber das gibt’s doch nicht! Wollin ist bisher immer zuverlässig gewesen.« Karen schüttelte den Kopf.
»Wollin ist Gregors Schulfreund. Gregor hat ihn empfohlen. Ist das richtig?« fragte Sylvia.
»Ja. Spielt das eine Rolle?«
»Wenn man gegenüber Gregor misstrauisch ist, schon. Dann spielt es sogar eine ganz entscheidende Rolle.«
Karen sah Sylvia und ihren Vater perplex an. »Wissen Sie beide eigentlich, was Sie da sagen?«
»Wir vermuten eine Verschwörung gegen Sie.«
Jetzt erzählte Sylvia von der merkwürdigen Begegnung mit Bernd Drechsler in Gregors Büro.
»Das kann man allerdings kaum anders interpretieren, als dass Gregor derjenige ist, der Drechsler gezwungen hat, die Manipulationen in den Büchern zu verstecken«, stimmte Karen Sylvia zu. Sie schüttelte resigniert den Kopf. »Und ich blöde Kuh bin immer zu Ralf gegangen und habe ihm erzählt, wenn es Neues in der Sache gab.«
Mehring fuhr fort. »Nachdem Sie Gregor über das folgenschwere erste Gespräch mit Bernd Drechsler informiert hatten, wusste er, dass ihm keine unmittelbare Gefahr drohte, entdeckt zu werden. Drechsler hatte ihn nicht verraten, warum, wissen wir nicht. Sie waren ahnungslos . . .«
»Naiv. Sprechen Sie es nur aus. Er muss sich innerlich totgelacht haben.«
». . . und vertrauten ihm«, führte Werner Mehring seinen Satz zu Ende. »Dann hat er aber von Ihnen erfahren, dass Sie einen Detektiv engagiert haben.«
Sylvia rekonstruierte jetzt an Stelle ihres Vaters weiter. »Er horchte auf. Natürlich musste er nun befürchten, dass Licht ins Dunkel kommt. Es galt also jede auch noch so kleine Spur zu verwischen. Doch dabei kann er Sie nicht gebrauchen. Deshalb stellte er Sie kalt, indem er sich einen Zeugen besorgte, der Sie belastete. Prompt wurden Sie verhaftet. Gregor veranlasste Ihren Anwalt, seinen Schulfreund, Sie in der Haft zu belassen. So verschaffte er sich die Möglichkeit, verschwinden zu lassen, was ihn belasten könnte.«
»Und wenn ihm die Zeit dazu gereicht hat, wird es schwer sein, Gregor etwas nachzuweisen«, stellte Karen fest.
»Unterschreiben Sie mir eine Vollmacht, und ich regle alles Notwendige, dass Sie in ein paar Stunden hier raus sind. Dann reden wir in Ruhe über unser weiteres Vorgehen«, versprach Werner Mehring.
Karen tat es und reicht ihm das Papier zurück. »Danke«, sagte sie.
»Danken Sie nicht mir.« Er lächelte. »Ich bin nur hier, weil meine Tochter mich darum gebeten hat.«
Karen nickte und wandte sich an Sylvia. »Natürlich. Es scheint Ihr neuer Zeitvertreib zu sein, mir ständig aus der Patsche zu helfen. Wenigstens mussten Sie diesmal nicht wieder Ihren Job riskieren.«
»Ja, diesmal war es völlig ungefährlich. Nur deshalb habe ich es getan.« Sylvia lächelte. »Und ich werde Sie abholen, wenn Sie entlassen werden. Das ist auch ohne jedes Risiko.«
Am späten Nachmittag war es soweit. Sylvia fuhr Karen nach Hause. Werner Mehring traf kurz nach ihnen in Karens Wohnung ein. Sie saßen zusammen und analysierten das Geschehene.
»Gregor baute seinen Betrug darauf auf, dass Sie ihm vertrauten und praktisch freie Hand ließen«, begann Werner Mehring. »Er konnte damit rechnen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Sie verdächtigt werden, wenn es zur Entdeckung der Unterschlagungen kommt. Und so war es ja auch. Die polizeilichen Ermittlungen konzentrierten sich auf Sie.«
»So ist es noch «, verbesserte Sylvia ihn.
»Dass Sie einen Detektiv einschalteten, hat Gregor aus dem Konzept gebracht. Er machte einen Fehler. Er engagierte diesen Frank Bachmann als Zeugen, der,
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