Unter Verdacht
keine sexuelle Beziehung«, erwiderte Karen völlig gelassen. »Wünschen Sie, informiert zu werden, sollte sich das ändern?« setzte sie spöttisch hinzu.
Sachs verzog keine Miene. »Wir haben durchaus Grund für diese Fragen. Ihr Alibi scheint uns nämlich recht zweifelhaft, nachdem wir herausgefunden haben, dass Drechsler kurz vor seinem Tod mit Ihnen telefonierte. Sie waren die letzte Person, mit der er gesprochen hat.«
»Mit Ausnahme seines Mörders, nehme ich an«, setzte Karen hinzu.
»Worum ging es in Ihrem Gespräch?«
Karen wusste, die Beamten würden ihr die Wahrheit nicht glauben: Dass er sie bat, ihn zu treffen, dann aber nicht kam. Das Treffen ja, das würden sie glauben, aber den Rest nicht.
»Drechsler hatte die Firma, wie Sie wissen, verlassen, weil er moralische Prinzipien verletzt und damit der Firma Schaden zugefügt hat. Er bat mich um Verzeihung. Sein Gewissen quälte ihn. Aber nicht so sehr, dass er mir seine Motive verriet.«
»Seltsam. Wir fanden in Drechslers Jacke einen Brief, gerichtet an Sie, ohne Adresse und Briefmarke, nur Ihr Name, also gedacht zur persönlichen Übergabe.«
»Nun sicher, weil er ihn mir geben wollte. Bei der nächsten Gelegenheit. Oder er trug ihn schon länger mit sich und hat sich nicht getraut, ihn mir zu geben.«
»Der Umschlag wurde noch nicht lange in der Manteltasche getragen. Dazu war er zu glatt, keine geknickten Ecken. Also sollte er wohl eher zur nächsten Gelegenheit übergeben werden. Sehr wahrscheinlich wollte Drechsler Ihnen den Brief am Abend seines Todes geben. Warum hätte er ihn sonst einstecken gehabt? Aber er kam nicht mehr dazu, weil er vorher erschossen wurde.« Keller fixierte Karen mit seinen Augen.
»Und Sie schließen daraus, dass ich seine Mörderin gewesen sein muss? Warum habe ich den Brief dann nicht an mich genommen?«
»Weil Sie nicht wussten, dass er ihn bei sich trug.«
Karen schüttelte den Kopf. Was sollte das alles? Sie hatte Drechsler an jenem Abend weder getroffen noch erschossen. Natürlich konnte sie das nicht beweisen. Aber was Keller vorbrachte, war auch ziemlich mager. Wollte er sie daraufhin etwa erneut verhaften? Was stand denn überhaupt in dem Brief? Karen wiederholte ihre Frage laut.
»Das wissen wir leider nicht. Wir fanden nur den Umschlag.«
Karen glaubte, sich verhört zu haben. Der ganze Aufmarsch war nichts weiter als eine Inszenierung, mit dem Ziel, sie in die Enge zu treiben! Der klägliche Versuch, sie einzuschüchtern, in der Hoffnung, dass sie sich verriet oder gar gestand. Nur dass sie da bei ihr an der falschen Adresse waren. Sie hatte nichts zu gestehen.
Wütend presste Karen zwischen den Zähnen hervor: »Meine Herren, lassen Sie sich für folgende Gespräche bitte einen Termin von meinem Anwalt geben«, und wies sie zur Tür.
Dann rief sie Sylvia an, für den Fall, dass die beiden Beamten bei ihr ein ähnliches Programm durchziehen wollten. Es meldete sich jedoch nur der Anrufbeantworter. Karen hinterließ eine Nachricht.
Spät, gegen dreiundzwanzig Uhr, klingelte das Telefon. Es war Sylvia.
»Was ist passiert?« fragte Sylvia. Sie war in Gedanken noch beim Gespräch mit Torsten. Sein Geständnis war nicht überraschend gekommen. Ebenso sein Kuss – der wirkungslos blieb.
»Sachs und Keller waren da. Sie zweifeln Ihre Aussage zu meinem Alibi an«, erzählte Karen.
»Haben Sie einen Grund genannt?«
»Sie denken, wir haben ein Verhältnis«, berichtete Karen wahrheitsgetreu.
Sylvia schwieg einen Moment. »Was haben Sie daraufhin gesagt?«
»Das dem nicht so ist. Nur fürchte ich, dass sie mir nicht glaubten. Sie denken, ich habe Drechsler unmittelbar vor seinem Tod getroffen. Er hatte einen an mich gerichteten Brief in seiner Tasche, genauer gesagt nur den Umschlag. Daraus schließen sie, dass er sich mit mir treffen wollte, was ja auch stimmt.«
»Haben Sie das bestätigt?« fragte Sylvia entsetzt.
»Natürlich nicht. Niemals hätten sie mir abgenommen, dass wir zwar verabredet waren, aber das Treffen nicht zustande kam.«
»Gut.« Sylvia atmete hörbar auf. »Sollten die beiden bei mir auftauchen, bleibe ich natürlich bei meiner Aussage.«
»Sylvia, überlegen Sie sich das gut.«
»Da gibt es nichts zu überlegen.«
24.
» S ie haben gemogelt!« Karen war völlig außer Atem, als sie die Seiten wechselten. »Sie spielen weitaus besser als eine Gelegenheitsspielerin. Sie wollten mich bloß in Sicherheit wiegen.«
Sylvia lachte. »Aber es war nur eine ganz kleine
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