Unter Verdacht
förmlich. »Wie lange ist das her?«
»Es war kurz vor Ihrem Unfall. Ich wollte Sie nicht damit behelligen.«
»Sollte sich so etwas wiederholen, sagen Sie es mir sofort !« forderte Karen eindringlich. »Sie kennen Miriam nicht. Sie kann sehr zielstrebig sein. Besonders, wenn sie etwas haben will, was ihr verweigert wird.«
»Das klingt ja wie in einem Horrorfilm.«
»Nun, so schlimm ist es zwar nicht. Aber trotzdem. Miriam verfolgt ihre Ziele unangenehm beharrlich. Kleine Gemeinheiten sind da nicht selten. Es gibt eigentlich nur eine Option, dass Miriam ihr Interesse an einer Sache verliert. Sie muss etwas finden, was sie noch mehr begehrt.«
»Und? Sehen Sie da irgend etwas?«
»Wenn ich das täte, hätte ich Miriam längst mit der Nase drauf gestoßen. Denn ich bin ihre Attacken wirklich leid.«
»Und nun?« fragte Sylvia ratlos.
»Ich werde mit Miriam reden und ihr klarmachen, dass jede Aktion gegen Sie mich in jedem Fall von ihr wegtreibt, statt näherbringt.«
»Ich wusste nicht, wie ich es Ihnen sagen sollte. Es war irgendwie zu absurd«, versuchte Sylvia ihre verspätete Offenheit zu entschuldigen.
»Schon gut. Ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf«, winkte Karen müde ab.
Sylvias Handy klingelte. »Entschuldigung«, wandte sie sich an Karen. »Mehring«, meldete sie sich dann.
»Ist sie bei dir?« hörte Sylvia die Stimme ihres Vaters.
»Ja.«
»Bachmann ist verschwunden«, dröhnte es verärgert durch die Leitung. »Leider bevor er seine Aussage geändert hat. Wahrscheinlich hat Gregor ihm einen Flug ohne Rückkehr nach Brasilien verschafft. Jetzt stehen wir ganz schön dumm da.«
»Verdammt. Und nun?« fragte Sylvia besorgt.
»Du musst es ihr schonend beibringen. Versuche sie aufzumuntern. Verschwundene Zeugen sind auch für die Verteidigung gut, denn man verschwindet schließlich nur, wenn es etwas zu verbergen gilt. Allerdings, das solltest du ihr aber besser nicht sagen, ist die Zugkraft dieses Argumentes abhängig davon, an welchen Richter man gerät.«
Werner Mehring räusperte sich umständlich.
»Das war noch nicht alles?« fragte Sylvia.
»Leider gibt es noch eine weitere schlechte Nachricht. Die Kripo hat einen – wen wundert’s – mal wieder anonymen Hinweis auf das unterschlagene Geld bekommen. Bei einer Versicherung gibt es ein Aktiendepot auf Karens Namen. Darauf sind im Laufe der letzten drei Monate ungefähr eine viertel Million Euro eingegangen. Allerdings wurde das Geld schlecht angelegt und ist futsch.«
»Aber das macht doch gar keinen Sinn«, meinte Sylvia verwirrt.
»Es macht einen Sinn, wenn diese Spur fingiert wurde, um Karen zu belasten«, erklärte ihr Vater. »Spekulationen an der Börse als kostspieliges Hobby. Ein gutes Motiv für Unterschlagungen.«
»Verdammt«, fluchte Sylvia.
»Das kannst du laut sagen.«
Werner Mehring legte auf.
Sylvia sah Karen an.
»Schlechte Neuigkeiten?« vermutete die.
»Leider«, bestätigte Sylvia. Stockend erzählte sie.
»Ich glaube, ich muss jetzt dringend nach Hause. Sicher finde ich in meiner Hausapotheke eine Schachtel Schlaftabletten«, sagte Karen deutlich deprimiert und eine Spur blasser als sonst.
»So etwas dürfen Sie nicht einmal denken Karen!« Sylvia nahm Karens Hand und hielt sie fest. »Es wird sich alles aufklären.«
»Im Moment klärt sich gar nichts auf. Im Gegenteil. Alles wird von Tag zu Tag komplizierter.«
Sylvia war klar, damit meinte Karen nicht nur die Tatsache, dass sie unter Verdacht stand und ein Strafverfahren wie ein Damoklesschwert über ihr schwebte, sondern auch das ungeklärte Verhältnis zwischen ihnen beiden. Bedrückt schwieg sie. Und grübelte. Nicht über ihr Verhältnis zu Karen. Das hätte erfordert, dass sie sich ernsthaft mit ihren Empfindungen auseinandersetzen musste. Sylvias Gedanken gingen ganz andere Wege, hervorragend geeignet, ihre Verdrängungstaktik in Sachen Gefühle zu unterstützen.
»Es muss doch irgend etwas geben, was Gregors krumme Geschäfte belegt: Kontoauszüge, eine Diskette über seine Transaktionen vielleicht«, überlegte sie laut.
»Schon möglich«, meinte Karen abwesend.
»Wenn man die fände, würde Sie das entlasten«, grübelte Sylvia weiter vor sich hin. In ihrem Kopf formte sich eine Idee.
»Natürlich. Aber das ist die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Wo wollen Sie anfangen?«
»In Gregors Wohnung natürlich«, erwiderte Sylvia.
»Und wie stellen Sie das an, ohne als Einbrecherin verhaftet zu werden?« wollte Karen
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