Unter Verdacht
trösten.
Sylvia wechselte ein paar leise Worte mit Torsten. Der nickte und ging in Richtung Ausgang.
»Ich glaube, ich muss mir noch unbedingt meine Nase pudern«, sagte Ellen und segelte in Richtung Toiletten davon.
Sylvia und Karen standen jetzt allein.
»Hast du einen Moment Zeit? Ich möchte gerne mit dir reden«, bat Sylvia leise.
»Du musst nichts sagen, ich bin ja nicht blind«, wehrte Karen ab. »Tut mir leid, dass du meinetwegen so in Verwirrung warst. Geht es dir jetzt wieder besser? Wo du an den Platz zurückgefunden hast, der Frauen Sicherheit bietet? Die Seite eines Mannes?« Karens Stimme klang verbittert.
»Karen, lass mich doch erklären!« beschwor Sylvia. »Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe meine Gefühle für dich nicht zulassen wollen. Das war dumm. Ich habe dich zurückgestoßen, weil ich feige war. Du hast ja recht, wenn du mich dafür verachtest. Und ich verstehe, dass du dich zurückgezogen hast.« Sylvia zögerte. »Aber mir geht es schlecht ohne dich. Ich vermisse unsere Vertrautheit. Bitte . . . gib mir noch eine Chance. Ich . . . ich liebe dich.« Die Worte waren ungewohnt für Sylvia. Schon lange hatte sie sie nicht mehr ausgesprochen, und noch nie gegenüber einer Frau. Und noch nie hatte sie sich so hilflos dabei gefühlt. Sylvia stand vor Karen, wartete, dass sie etwas sagen würde.
Karen schüttelte den Kopf. »Sylvia, mach dir doch nichts vor. Du weißt nicht, was du willst. In fünf Minuten sitzt du mit deinem Torsten im Auto und wirst froh sein, dass ich auf deine unüberlegte Liebeserklärung nicht eingegangen bin. So war es immer. Erst ein mutiger Vorstoß, und dann der panische Rückzug.«
»Ich verstehe, dass du so denkst«, seufzte Sylvia.
»Wartet dein Begleiter nicht auf dich?« Karen wollte die Diskussion beenden.
»Du glaubst, ich habe etwas mit ihm? Wir sind nur Freunde.«
»Oh ja, das habe ich gesehen.«
»Gesehen? Wie meinst du das?« fragte Sylvia irritiert.
Karen biss sich auf die Zunge. Sie hatte nicht die Absicht, Sylvia etwas von dem Polaroid, das Miriam ihr gegeben hatte, zu erzählen. Wozu auch? Die Sache war ja wohl eindeutig!
»Merkst du nicht, wie er dich ansieht? Er liebt dich«, sagte sie statt dessen. Und schließlich war das nicht einmal gelogen.
»Aber ich liebe ihn nicht. Weil ich dich liebe. Karen, bitte!« flehte Sylvia.
Karen schüttelte gequält den Kopf. »Warum sagst du das? Wir wissen es doch beide besser!« Damit ging sie.
Sylvia sah ihr enttäuscht nach. Aber was hatte sie auch erwartet?
28.
D en Sonntag verbrachte Sylvia bei ihren Eltern. Von Ellen wusste sie, dass in zwei Tagen Karens Verhandlung vor Gericht beginnen sollte.
Sylvia saß mit ihrem Vater im Wohnzimmer und erkundigte sich – natürlich ganz nebenbei – nach dem Stand der Dinge.
»Hat Karen es dir nicht erzählt?« fragte Werner Mehring verwundert.
»Was erzählt?«
»Ich bin bei meinen Recherchen nach ähnlichen Fällen fündig geworden.«
»Was hast du gefunden?«
»Die Frage muss lauten: Wen hast du gefunden? – Ich lasse gerade eine Computeranalyse verschiedener Bilder durchlaufen, von denen ich glaube, dass sie ein und dieselbe Person zeigen. Darüber legen wir dann Gregors Bild. Bei Übereinstimmung sind wir einen kleinen Schritt weiter.«
»Inwiefern?«
»Bei der Person handelt es sich um einen Mann, der eine leitende Position in mehreren Architekturbüros innehatte. Drei an der Zahl. Die sind mittlerweile alle Konkurs gegangen, die ehemaligen Inhaber wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung verurteilt.«
Sylvia sprang erregt auf. »Das nennst du einen kleinen Schritt? Wenn das wahr ist, ist doch klar, was vorgeht. Gregor nimmt professionell Firmen aus.«
»Das können wir nicht beweisen. Aber die Parallelität der Fälle wird den Richter in jedem Fall für unsere Theorie interessieren.«
»Das ist doch phantastisch«, freute sich Sylvia. »Zu schade, dass wir das nicht früher wussten. Dann hätten wir in seiner Wohnung nach entsprechenden Hinweisen . . .« Sylvia biss sich auf die Lippen. Wie hatte ihr das nur rausrutschen können?!
Knisternde Stille im Raum. Das zu Boden Fallen einer Stecknadel wäre in diesem Moment einer Explosion gleichgekommen.
»Das habt ihr nicht getan!« Sylvias Vater stand langsam auf. Ungläubig starrte er seine Tochter an. »Ihr seid nicht in Gregors Wohnung gewesen!?«
Sylvia war jetzt ziemlich kleinlaut. »Wir haben nach Beweisen gegen ihn gesucht. Es muss doch welche
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