Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
kann man nicht mit Sicherheit sagen, da wir unsere kleine Fünf-Morgen-Vergnügungsinsel niemals verlassen. Der Boss kommt und geht per Hubschrauber, darum dürfte die wahre Zivilisation wohl etwas weiter entfernt sein.«
»Hat schon mal jemand von hier fliehen können?«, fragte Giordino. »Scheint doch, als seien die Gefangenen zahlenmäßig um einiges stärker vertreten als die Wachen.«
Beide Männer schüttelten die Köpfe. »Einige haben es versucht«, sagte Brown. »Selbst wenn man es bis über die Todesstreifen schafft, sind da immer noch die Hunde, mit denen sie hinter einem herkommen.« Er bemerkte die Schwellung an Giordinos Arm. »Haben Sie heute schon Bekanntschaft mit Johnny der Peitsche gemacht?«
»Eine ziemlich intensive Bekanntschaft sogar«, sagte Giordino.
»Er ist wirklich krank. Am besten hält man sich so fern wie möglich von ihm.«
»Wer leitet diesen Laden hier denn wirklich?«, fragte Pitt.
»Ein Typ namens Edward Bolcke. Eine Art genialer Bergbauingenieur. Sein Wohnhaus steht irgendwo dort drüben.« Maguire deutete zum Kai. »Er hat diese ganze Anlage gebaut, um Seltenerderze zu gewinnen und zu veredeln. Soweit wir gehört haben, spielt er eine wichtige Rolle auf dem Weltmarkt und arbeitet besonders eng mit den Chinesen zusammen. Einer der Arbeiter in der Auswaschanlage meint, dass hier pro Jahr Seltenerdmetalle in einem Wert von einer Viertelmilliarde Dollar gewonnen werden, das meiste davon ist gestohlen.«
Giordino stieß einen Pfiff aus. »Das ergibt einen ganz hübschen Profit.«
»Ich denke gerade an die Extraktionsanlage«, sagte Pitt, der nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. »Ich nehme an, dabei kommen doch sicherlich große Mengen Chemikalien zum Einsatz, oder?«
»Einige davon sind gefährlich, hoffe ich doch«, fügte Giordino hinzu.
»Ja, aber völlig außer Reichweite«, sagte Maguire. »Die wichtigen Verfahren finden in den Gebäuden statt, an die wir nicht herankommen. Wir sind doch nur die gemeinen Fußtruppen. Wir holen das Zeug aus den Schiffen raus und halten die Mühle in Gang. Denken Sie daran, ein wenig zu zündeln?«
»Etwas in dieser Richtung, ja.«
»Das können Sie sofort wieder vergessen. Brown und ich haben auch lange an so etwas gedacht, aber wir haben schon zu viele gute Leute bei dem Versuch sterben sehen. Eines Tages wird jemand diesen Ort finden und auffliegen lassen. Wir müssen nur so lange durchhalten, bis es so weit ist.«
Über ihren Köpfen flackerte für einen kurzen Moment eine Lampenreihe.
»Licht aus in fünf Minuten«, sagte Maguire. »Ihre Jungs sollten sich lieber einen Schlafplatz suchen.«
Er führte sie zu einem großen abgeschirmten Raum mit Schlafpritschen aus Rattan. Pitt und Giordino suchten sich zwei aus und streckten sich darauf aus, während sich der Saal mit Männern füllte und die Beleuchtung erlosch. Pitt achtete gar nicht auf die allgemeine Ungemütlichkeit des stickigen Raums und der harten Matte, während er in der Dunkelheit lag und darüber nachdachte, wie er aus diesem Todeslager ausbrechen könnte. Er schlief ein, ohne eine Antwort gefunden zu haben, und ahnte nicht, dass sich seine Chance schon viel früher ergeben sollte, als er auch nur zu träumen gewagt hätte.
57
Die Arbeiter erstarrten, als sie das rhythmische Flappen der Rotor blätter eines landenden Helikopters hörten. Johanssons Peitsche trieb die Männer sofort wieder an ihre Arbeit zurück und vereitelte jede Hoffnung, dass eine bewaffnete Streitmacht erschienen sein könnte, um sie zu befreien.
Stattdessen war es Bolcke persönlich, der aus Australien angeflogen kam, wo er die letzten Schritte zur Übernahme der Mount-Weld-Mine eingeleitet hatte. Er stieg aus dem Hubschrauber, ging mit zwei bewaffneten Wächtern im Schlepptau an einem wartenden Golfwagen vorbei und weiter zum Kai.
Ein zerlumpter Trupp Arbeiter, darunter auch Pitt und Giordino, leerten soeben den letzten Laderaum der Adelaide , als Bolcke den Kai betrat. Geringschätzig betrachtete er die Sklaven und blickte Pitt kurz in die Augen. In diesem Moment schien Pitt die Psyche des Österreichers ganz klar zu erkennen. Er sah einen freudlosen Mann, frei von Gefühlen, Moral und sogar ohne Seele.
Bolcke begutachtete kühl das aufgehäufte Erz, ehe er seinen Weg fortsetzte, um das Schiff zu inspizieren. Er wartete kurz auf Gomez, der vom Schiff geholt wurde und die Gangway heruntereilte.
»Entsprach die Fracht unseren Erwartungen?«, fragte Bolcke.
»Ja, dreißigtausend Tonnen
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